Überdüngung

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Seit Beginn der Landwirtschaft vor etwa 5.000-10.000 Jahren verwenden die Menschen Düngemittel zur Ertragssteigerung. Diese zunächst organischen Dünger wurden im Laufe der Zeit durch mineralische und künstlich hergestellten Düngemittel ersetzt. Die verwendeten Dünger liefern den Pflanzen zusätzliche Nährstoffe, wie Stickstoff (N), Phosphor (P) oder Kalium (K), die für die Photosynthese und das Wachstum benötigt werden. Zeitlich ungeeignete Düngung und Überdüngung können jedoch negative Umwelt-Auswirkungen haben. Das überschüssige Nitrat, das in Stickstoffdüngern enthalten ist, kann nur schlecht im Boden gehalten und leicht durch Niederschlag ausgewaschen werden. So gelangt es in das Grundwasser und andere Ökosysteme.

Da die Trinkwasserversorgung in Deutschland hauptsächlich über Grundwasser erfolgt und Nitrat eine gesundheitsschädigende Wirkung haben kann, entsteht hier ein Nutzungskonflikt zwischen der Landwirtschaft und der Trinkwasserversorgung. Dieser Nutzungskonflikt betrifft mittlerweile fast die gesamte Europäische Union und ist ein aktuelles Thema der Politik.

Stickstoffdünger

Stickstoff stellt das bedeutendste Nährelement für Pflanzen dar, denn er ist ein wesentlicher Bestandteil des Rubisco Enzyms, welches für die Photosynthese essentiell ist. Ohne die Photosynthese könnten Pflanzen weder den für Menschen und Tiere lebensnotwendigen Sauerstoff noch Biomasse produzieren, die anderen Lebewesen letztendlich als Nahrung dient. Die Verfügbarkeit von Stickstoff im Boden begrenzt somit die Biomasseproduktion und die landwirtschaftlichen Erträge. Durch die Zugabe von Stickstoffdüngern auf landwirtschaftlich genutzten Flächen wird die Verfügbarkeit von Stickstoff im Boden erhöht und stellt so einen Mindesternteertrag sicher. Ohne Stickstoff gäbe es außerdem keine Mikroorganismen oder höhere Lebensformen, da Stickstoff ein grundlegender Bestandteil der DNA, RNA, Aminosäuren und Proteinen ist.[1]

Stickstoff ist in verschiedenen Verbindungen und Mengen in organischen Düngemitteln (z.B. Gülle, Stallmist, Kompost, Ernte-Nebenprodukte) und mineralischen Düngemitteln (z.B. Ammoniumdünger, Nitratdünger, Ammoniumnitratdünger) enthalten. Mineralische Düngemittel haben heute in der intensiven Landwirtschaft eine wichtige Bedeutung und kommen in großen Mengen zum Einsatz. Sie verdrängen früher verwendete Substanzen, wie Mergel, Guano, Asche oder Salpeter. Sie werden meist in fester Form als Granulat, oder auch flüssig als Spritzdünger produziert, um eine einfache Verteilung zu gewährleisten.[2]

Stickstoffdünger werden mittlerweile meist nur noch synthetisch hergestellt, da nur noch wenige natürliche Lagerstätten bestehen. Jährlich werden etwa 100 Millionen Tonnen Stickstoff zu Stickstoffdünger verarbeitet. Dies entspricht einer Menge von ca. 400 Millionen t Dünger pro Jahr. Die Basis für die Produktion von Stickstoffdünger stellt das Haber-Bosch-Verfahren dar, bei dem Ammoniak synthetisiert wird. Das Haber-Bosch-Verfahren bindet Stickstoff aus der Luft mithilfe von Wasserstoff (zum Beispiel aus Erdgas) und synthetisiert so Ammoniak als Grundlage von Stickstoffdünger.[2] Die vereinfachte Gleichgewichtsreaktion dieses Grundlagen-Verfahrens zur Herstellung von Kunstdünger lautet[2]

Nitrat und Nitrit

Nitrat NO3 und Nitrit NO2 sind Stickstoffverbindungen mit Sauerstoff und stellen Salze der Salpetersäure HNO3 dar. Sie zählen neben Lachgas N2O und Ammoniak NH3 zu den reaktiven Stickstoffen. Reaktiver Stickstoff zeichnet sich dadurch aus, dass er, anders als der Stickstoff der Atmosphäre N2, der eine sehr stabile Bindung zwischen den beiden N-Atomen aufweist und kaum reaktiv ist, viele verschiedene Bindungen mit organischen und anorganischen Stoffen eingehen kann und in der Lage ist, sich von einer Form in eine andere umzuwandeln.[3] Die Verbindungen kommen in Oberflächengewässern und im Grundwasser häufig nur in Spuren vor. In landwirtschaftlich genutzten Gebieten kann die Konzentration der beiden Verbindungen in Gewässern aufgrund von Düngemittelauswaschungen jedoch erheblich ansteigen. Die Konzentration von Stickstoffverbindungen kann als Indikator für den Grad der Verunreinigung eines Gewässers verwendet werden.[3]

Nitrat und Nitrit können auf verschiedene Wege in den Boden und in das Grundwasser gelangen. Entweder durch chemische Umwandlungen stickstoffhaltiger Ausgangsstoffe, wie Proteine und Harnstoffe, oder direkt durch das Ausbringen von Düngemitteln. Die Stickstoffverbindungen in Düngemitteln bestehen größtenteils aus Nitrat und Ammonium, denn diese sind pflanzenverfügbar. Das bei der Zersetzung von stickstoffhaltigen Ausgangsstoffen entstehende oder in Düngemitteln vorhandene Ammonium bzw. Ammoniak wird mit Hilfe von Mikroorganismen im Boden zunächst zu Nitrit oxidiert.[3] Dies geschieht durch aerobe Oxidation (Nitrifikation) von Ammonium zu Nitrit

und aerobe Oxidation von Ammoniak zu Nitrit.

Unter aeroben Bedingungen (aerobe Oxidation) wird Nitrit in der Folge zu Nitrat oxidiert.

Es ist aber auch möglich, dass unter anaeroben Bedingungen (anaerobe Reduktion) Nitrat von Mikroorganismen wieder zu Nitrit reduziert wird (Denitrifikation).

Abb. 1: Der Stickstoffkreislauf des Bodens und die Bildung von Nitrat und Nitrit. Mathias Hartmann nach Wisotzky, F. (2011).[4]

Abbildung 1 zeigt die Vorgänge des Stickstoffkreislaufs im Boden. Der elementare Stickstoff N2 der Atmosphäre kann im Boden über biologische N2-Bindungen zu Ammoniak, Ammonium und Nitrat mineralisiert werden. Diese Verbindungen können weiter über eine Assimilation zu organischen Stickstoffverbindungen umgewandelt werden, und dieser Prozess ist durch Mineralisierung umkehrbar. Außerdem kann das Nitrat wieder zu Ammoniak und Ammonium reagieren. Über die Nitrifikation, bei der das Ausgangsprodukt oxidiert wird, können Ammoniak und Ammonium zu Nitrit werden. Das Nitrit reagiert dann entweder wieder zu N2 (Denitrifikation) oder über eine weitere Nitrifikation zu Nitrat. Auch dieses kann über eine Denitrifikation wieder zu N2 werden.[4]

Nitrat und Nitrit sind sehr gut lösliche Salze und können als Anionen leicht ausgewaschen werden und gelangen so in das Grundwasser. Dementsprechend können sie auch nicht in großer Menge vom Boden absorbiert werden. Wird über einen längeren Zeitraum mit Nitrat belastetes Trinkwasser aufgenommen, können gesundheitliche Schädigungen auftreten. Es besteht unter anderem ein erhöhtes Krebsrisiko durch die Bildung von Nitrosaminen im Körper. Nitrosamine bilden sich, wenn Nitrit (Salz der salpetrigen Säure) und Amine (organische Verbindungen) in einem sauren Milieu, wie zum Beispiel dem menschlichen Magen, miteinander reagieren.[3]

Ein weiteres Problem ist die Methämoglobinämie, und als Folge die so genannte Blausucht. Das mit der Nahrung aufgenommene Nitrit oxidiert das Fe(II) des Hämoglobin (Blutfarbstoff) zu Fe(III) und stört so den Sauerstofftransport im Körper. Für Erwachsene stellt dies keine große Bedrohung dar, da sie über körpereigene Enzyme verfügen, die diesen Prozess umkehren können. Bei Säuglingen ist die Enzymaktivität geringer und die Haut der betroffenen Säuglinge beginnt sich blau zu färben, es kommt zu Atemnot, die zu einem inneren Ersticken und schließlich zum Tode führen kann.[3] Der europaweit einheitliche Grenzwert von 50 mg Nitrat pro Liter Wasser wurde vor allem zum Schutz von Säuglingen festgelegt, da diese besonders anfällig gegenüber hohen Nitratbelastungen im Trinkwasser sind.[5]

Risiken von Überdüngung

Ein übermäßiger Eintrag von in Düngemitteln enthaltenen reaktiven Stickstoffverbindungen, wie Nitrat, Nitrit, Ammoniak oder Lachgas in die Umwelt kann in verschiedenen Umweltbereichen zu negativen Auswirkungen führen. Die Funktionen und Dienstleistungen von Ökosystemen werden durch sie destabilisiert, es kann zum Verlust der biologischen Artenvielfalt im Wasser und auf dem Land kommen, der Klimawandel wird beschleunigt, sie haben negativen Einfluss auf die Qualität von Luft und Wasser, führen zu einer Versauerung des Bodens und gefährden die menschliche Gesundheit wie in Kapitel 2 beschrieben.[2][5]

Ein Eintrag von Stickstoffverbindungen in Oberflächengewässer hat ein höheres Angebot an Nährstoffen zur Folge und führt so zu einer Eutrophierung. Unter einer Eutrophierung versteht man ein beschleunigtes Wachstum von Algen und anderen höheren Pflanzenformen. Dies kann zu einem erheblichen Sauerstoffmangel innerhalb des Gewässers und einer lebensfeindlichen Umgebung für Tiere und anderen Pflanzen führen. Letztendlich sind die Funktion und die Dienstleistungen des Gewässers für den Menschen gestört und es kommt zu einem Verlust von Biodiversität.[6]

Die in der Landwirtschaft verwendeten reaktiven Stickstoffverbindungen können bei einem Überschuss durch Überdüngung leicht durch Ausgasung in die Atmosphäre oder durch Auswaschung in das Grundwasser gelangen. In der Luft stellt Stickstoffdioxid NO2 ein Problem dar, denn es kann zu gesundheitlichen Problemen, wie einer Reizung der Atemwege führen und trägt zur Bildung sekundärer Feinstaube bei, die ebenfalls gesundheitsschädlich sind. Zudem gelangt überschüssiger Stickstoff in Form von Nitrat und Nitrit in das Grundwasser. Da das Trinkwasser in Deutschland hauptsächlich aus dem Grundwasser gewonnen wird, stellt dies eine besondere Gefährdung dar. Als Folge der hohen Belastungen des Grundwassers mussten Wasserversorger bereits Wasservorkommen aufgeben und neue tiefere Grundwasservorkommen erschließen. Dies verursacht zusätzliche Kosten und durch die Verschmutzung des Grundwasserkörpers steht weniger Trinkwasser zur Verfügung.[5]

Ein weiteres Problem stellt die Freisetzung von Lachgas in die Atmosphäre dar. Lachgas ist ein Treibhausgas, das 265-mal wirksamer als Kohlenstoffdioxid (CO2) ist. Das aufgrund land-wirtschaftlicher Nutzung zusätzlich ausgestoßene Lachgas ist Bestandteil des anthropogen bedingten Klimawandels und trägt so zur Erwärmung auf der Erde bei.[7]

Aktuelle Lage

In der Landwirtschaft werden verschiedene stickstoffhaltige Düngemittel verwendet, deren Bestandteile bei einem Überschuss durch verschiedene chemische Reaktionen (Nitri-, Denitrifikation, Mineralisierung und biologische N2-Bindung) im Boden zu Nitrat und Nitrit umgewandelt werden können. Diese leicht löslichen Salze können über Sickerwasser in das Grundwasser oder andere Ökosysteme gelangen. Dort schaden sie bei einem Überschuss nicht nur der Umwelt, sondern können bei einem regel- und übermäßigen Konsum auch eine gesundheitsschädigende Wirkung auf den Menschen, vor allem auf Kleinkinder und Säuglinge, haben. Dieses Problem betrifft aktuell nicht nur Deutschland, sondern ist in der gesamten EU zu einem ernstzunehmenden Thema geworden. Der Nutzungskonflikt zwischen den Wasser-versorgern, die das Trinkwasser in Deutschland fast ausschließlich aus dem Grundwasser gewinnen, und dem intensiven Einsatz von Düngemitteln in der Landwirtschaft, um mehr Nahrungsmittel zu produzieren, ist so aktuell wie nie. Die EU hat bereits verschiedene Maßnahmen ergriffen, die ihre Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, den Nitrateintrag in das Grundwasser durch die Landwirtschaft zu verringern, doch für die Zukunft muss eine wichtige Entscheidung getroffen werden. Entweder für eine weiterhin gesicherte Trinkwasserversorgung mit unbedenklichem und einwandfreiem Wasser oder für eine weitere Ertragssteigerung der Nahrungsmittelproduktion durch immer mehr Einsatz von Düngemitteln in der Landwirtschaft.

Referenzen

  1. Amelung, W., Blume, H.-P., Fleige, H., Horn, R., Kandeler, E., Kögel-Knabner, I., Kretzschmar, R., Stahr, K., Wilke, B.-M., (2018): Scheffer/Schachtschabel: Lehrbuch der Bodenkunde, 17. Auflage. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Finck, A., (2007): Pflanzenernährung und Düngung, 6. Auflage. Gebrüder Borntraeger, Stuttgart.
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 Pohling, R. (2015): Chemische Reaktionen in der Wasseranalyse. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg.
  4. 4,0 4,1 Wisotzky, F. (2011): Angewandte Grundwasserchemie, Hydrogeologie und hydrochemische Modellierung. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg.
  5. 5,0 5,1 5,2 Umweltbundesamt (2018): FAQs zu Nitrat im Grund- und Trinkwasser | Umweltbundesamt. URL: https://www.umweltbundesamt.de/faqs-zu-nitrat-im-grund-trinkwasser#textpart-3 (Stand: 30.05.2019).
  6. Stoll, J. (2013): Stickstoff. In: Umweltbundesamt [Hrsg.]. URL: http://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/umweltbelastungen-der-landwirtschaft/stickstoff (Stand: 01.05.2019).
  7. Geupel, M., Frommer, J., (2015): Reaktiver Stickstoff in Deutschland – Ursachen, Wirkungen, Maßnahmen. In: Umweltbundesamt [Hrsg.]: Publikationen – Wirtschaft | Konsum, Luft, Boden | Landwirtschaft. URL: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/reaktiver-stickstoff-in-deutschland (Stand: 10.08.2020)

Weiterführende Informationen und Literatur

Autor:innen

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Dieser Artikel wurde geschrieben und gegengelesen von:
Mathias Hartmann, Philipp Maly
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