Terra Preta

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Terra Preta de Índio (portugiesisch für „schwarze Indianererde“) ist die Bezeichnung für einen Boden im Amazonasbecken, dessen Charaktereigenschaften, insbesondere Humusgehalt, Nährstoffverfügbarkeit und Wasserspeicherkapazität, sich enorm von den umliegenden tropischen Bodentypen unterscheiden. Entsprechend der akkumulativen Bildung von Terra Preta während menschlicher Besiedlungs- und Bewirtschaftungsperioden gehört er zu den Pretic Anthrosolen. Charakteristische Bestandteile sind verkohlte Überreste, Haushaltsabfälle, menschliche Fäkalien, Knochen, Tonscherben sowie Biokohle.



Entstehung

Aufgrund der Zusammensetzung der Terra Preta aus Tonscherben, Keramikresten, Fischknochen, Holzkohle und Asche hat sich die anthropogene Bildungstheorie durchgesetzt.[1] Dementsprechend ist die Bildung von Terra Preta eng mit der Besiedelung des präkolumbianischen Amazoniens verknüpft. Terra Preta entstand durch Ablagerungen im Rahmen von langfristigen menschlichen Besiedelungen, in denen sich verkohlte Überreste und Haushaltsabfälle inklusive menschlicher Fäkalien am Boden ablagerten. Dabei reichen die Tiefen von Terra Preta bis zu 2 m, im Schnitt handelt es sich um 0,73 m. Das Bodenalter wird auf ca. 1000-1300 Jahre geschätzt.[2]

Nährstoffeintrag und mikrobielle Zersetzung

Menschliche und tierische Fäkalien dienten als Quelle für Phosphor und Stickstoff. Abfälle, einschließlich Knochen von Kleinsäugern, Schildkröten und Fischen lieferten Phosphor und Calcium. Aschereste und Komposte brachten ebenfalls Calcium sowie Magnesium, Kalium, Phosphor und Holzkohle in den Boden ein. Außerdem spielte terrestrische und aquatische Pflanzenbiomasse eine Rolle, die aber zwischen verschiedenen Standorten variiert.[3]

Die abgelagerte organische Materie wird von einheimischen Boden-Mikroorganismen, hauptsächlich Saprophytic Fungi, recycelt und so teilweise für Vegetation zugänglich gemacht. Außerdem stabilisieren diese Organismen den Boden, indem sie Humus und organisch-mineralische Strukturen ausbilden.[4] Darüber hinaus wird angenommen, dass die Organismen für die Oxidation der Holzkohle verantwortlich sind.[5]

Stabilisierung durch Biokohle

Der Anteil von Kohleresten in Terra Preta ist etwa 70-mal höher als in den umliegenden Ferralsolen. Diese Reste werden bei einem langsamen und kühlen Verbrennungsprozess erzeugt, der auch als „slash and char“ zusammengefasst wird.[1] Ob die prähistorischen Siedler die Bedeutung von Holzkohle erkannten und sie bewusst dem Boden zufügten oder ob es sich um ein Nebenprodukt von Nahrungsmittelzubereitung und spirituellen Zwecken handelte, ist noch zu klären.[3] Bei den beschriebenen mikrobiellen Prozessen dienen diese Kohlereste als Lebensraum für die Bodenmikroorganismen. Die chemische Struktur der Holzkohle aus mehrfach kondensierten aromatischen Bestandteilen ist für die verlängerte Resistenz gegenüber mikrobieller Zersetzung und nach Oxidationsprozessen für die erhöhte Speicherung von Nährstoffen verantwortlich.[1] Die poröse physische Struktur unterstützt außerdem die Wasserspeicherkapazität und die Speicherung von gelösten organischen Nährstoffen.[3] So trägt die Kohle zur Stabilität des Terra Preta bei und spielt dadurch auch in der Bodenbildung eine zentrale Rolle, da die Biokohle der Verwitterung durch die feuchten tropischen Bedingungen entgegenwirkt.[4]

Verbreitung

Aufgrund des anthropogenen Entstehungshintergrunds geht die Frage nach der Verbreitung eng mit der Fragestellung der prähistorischen Besiedlungsorte einher. Eine etablierte Theorie ist, dass die prähistorischen Siedlungen entlang der Hauptflüsse konzentriert waren.[6] Die Flüsse, an denen Terra Preta auftritt, sind der Amazonas, Orinoco, Negro, Guaporé, Tocantins, Tapajós, Xingú, Napo, Ucayali, Caquetá, Corentyne und weitere Nebenflüsse. Die Vorkommen reichen damit von den Anden bis zu der Insel Marajó.[7]

Archäologische Fundstellen gibt es sowohl auf dem höhergelegenen Hinterland als auch in den Überflutungsgebieten. Siedlungen in Überflutungsgebieten scheinen weniger üblich gewesen zu sein und/oder die deutliche Mehrheit wurde von Flusserosion zerstört oder von Sedimenten überlagert. Die meisten Terra Preta-Stätten befinden sich somit an den Steilhängen, da diese sowohl den Zugang zu dem Fluss als auch der Vegetation des Hochlandes sicherstellten.[6]

Darüber hinaus ist die Farbe von Terra Preta wahrscheinlich ein Indikator für den historischen Verwendungszweck: Schwarze Erde (Terra Preta) hat ihren Ursprung wahrscheinlich in Siedlungsgebieten, bräunlichere Töne (Terra Mulata) entstanden in Flächen intensiver Feld- und Gartenarbeit.[4] Die durchschnittlichen Flächen einzelner Terra Preta-Vorkommen werden auf eine Ausdehnung zwischen 1 und 20 ha geschätzt.[5][7] Das von McMichael et al. (2014) verwendete Modell induziert ein Gesamtvorkommen von etwa 155.000 km2, was ca. 3,2 % der Waldfläche entspricht.[8]

Bodencharakteristik

Nach der WRB wird Terra Preta als Pretic Anthrosol eingestuft. Anthrosole fassen Böden zusammen, die durch menschliche Aktivität wie die Zugabe von organischem Material, Holzkohle oder Haushaltsabfällen geprägt sind. Pretic steht dabei für dunkle Böden mit einem hohen Anteil organischen Materials, Phosphor, niedriger Aktivität von Tieren, hohen Anteilen von austauschbaren Calcium und Magnesium mit Überresten von Holzkohle und/oder Artefakten.[9]

Der hohe Anteil an Humus, Biokohle aus Verkohlungsprozessen, Nährstoffen (insbesondere Phosphor) und archäologischen Funden aus präkolumbianischer Zeit sind nach verschiedenen Quellen die etablierten Charaktermerkmale.[4][5][10] Das optische Haupterkennungsmerkmal ist eindeutig die schwarze Farbe. Typisch für einen Anthrosol ist, dass sich der anthropogene Einfluss auf die oberflächlichen Horizonte reduziert; Darunter finden sich meist die ursprünglichen lokalen Böden.[9] Der anthropogene A-Horizont von Terra Preta umfasst 30-60 cm gegenüber den für Acri- und Ferralsolen typischen 10-15 cm.[10] Aber auch Tiefen von bis zu 2 m wurden dokumentiert.[6] Im Gegensatz zu den umliegenden Ferralsolen und Acrisolen weist Terra Preta pH-Werte von 5,2 bis 6,4 auf und hat dementsprechend pflanzenfreundlichere Aluminiumwerte.[7]

Nährstoffspeicherkapazität

Die natürlich in Zentralamazonien vorkommenden Ferralsole, Acrisole und Arenosole enthalten relativ geringe Mengen der meisten Nährstoffe. Im Gegensatz dazu stehen die nährstoffreichen Terra Preta-Böden mit erhöhten Stickstoff-, Phosphor-, Kalium-, Potassium- und Calcium-Gehalt (Glaser et al. 2001). Verfügbarer Phosphor in Terra Preta liegt beispielsweise bei > 600 mg/kg im Gegensatz zu einstelligen Werten der natürlichen Böden.[7]

Da Humus Möglichkeiten für den Kationenaustausch zur Verfügung stellt, spielt er eine entscheidende Rolle im Nährstoffkreislauf. Aufgrund der dargestellten Witterungsbedingungen haben die natürlichen Bodentypen jedoch eine hohe Mineralisierungsrate und dementsprechend niedrige Humusanteile.[5] Im Terra Preta weist er dagegen einen drei Mal höheren Anteil auf.[3] Aber auch seine Qualität ist von Bedeutung, da er höhere Mengen von carboxylischen und phenolischen Gruppen aufweist.[11] Daher hat Terra Preta eine deutlich erhöhte KAK von 13-25 cmolc/kg, was der Auswaschung von Nährstoffen gegenübersteht.[12] Die Speichermengen erreichen für Stickstoff 17 t/ha und bei Phosphor 13 t/ha, was doppelt bzw. viermal so viel Nährstoffen wie bei den umliegenden Ferralsolen entspricht.[13]

Wasserspeicherkapazität

Ein weiterer Bestandteil von Terra Preta von herausragender Bedeutung ist die Biokohle. Sie hat bodenverändernde Langzeiteffekte, aber ersetzt dabei nicht die Notwendigkeit der Nährstoffzugabe durch organische oder anorganische Düngung.[14] Außerdem ist die Wasserspeicherkapazität durch die poröse Struktur der Holzkohle erhöht.[3]

Durch die zusätzliche Eigenschaft der Kohlenstoffspeicherkapazität ist Terra Preta auch in der Debatte zur Mitigation des Klimawandels in das Zentrum des Forschungsinteresses gerückt. Die Produktion der von diesen Bodentypen inspirierten Biokohle durch Pyrolyse und das Zufügen derselben in Form von Substraten in den Boden, könnte eine vielversprechende Methode sein, um Kohlenstoff im Boden einzulagern.[3]

Nachhaltige Ertragssteigerung durch Terra Preta

Die dargestellten charakteristischen Bodeneigenschaften von Terra Preta sind vielversprechend für die ackerbauliche Nutzung.[4] In Anbetracht der unfruchtbaren und degradierten Böden weltweit, wird über die Verwendung von sogenannter Terra Preta Nova diskutiert. Dabei handelt es sich um Erde mit Eigenschaften, die der der amazonischen Terra Preta nachempfunden wird. Diese könnte Ackerböden zugeführt werden, um deren Ertrag zu steigern.[3] Prabhu et al. (2014) untersuchen in einer Fallstudie den Effekt von Terra Preta auf die Wachstumsrate der Mungbohne.[15] Die Pflanzen, die in Terra Preta kultiviert wurden, zeigten verbesserte Keim- und Wachstumsraten, Stil- und Wurzellänge, Blattlängen, Blattflächen sowie Stil- und Wurzelmassen im Vergleich zu den Kontrollgruppen.

Kleinbauern in Manacapuru und Rio Preta da Eva arbeiten bereits auf dunkler Erde, um Gemüse und mehrjährige Pflanzen wie Orangen, Kokuspalmen, Cupuacu und andere Sorten anzubauen. Dabei verwenden sie Monokulturen, die Mischung zweier Arten und Waldfeldbau. Im Allgemeinen berichten sie davon, dass keine chemischen der organischen Dünger benutzt werden müssen, um eine hohe Produktivität zu erreichen.[7] Dies belegt die Chance durch Terra Preta oder Terra Preta Nova auf Dünger mit den einhergehenden Umweltrisiken zu verzichten und dadurch eine nachhaltigere Bewirtschaftung zu ermöglichen. Feldstudien in Rio Preto da Eva und Manacapuru von sandiger Terra Preta und Terra Mulata haben gezeigt, dass sogar während extremen Trockenzeiten die angebauten Pflanzen nicht nur überlebten, sondern auch keine extremen Schäden und Produktivitätseinbußen auftraten.[7] Dies ist im Hinblick auf die Fragestellung interessant, inwiefern Terra Preta unter den sich ändernden Bedingungen durch den Klimawandel performt.

Inwiefern es sich bei der Verwendung von Terra Preta Nova um eine nachhaltige Methode handelt, hängt unter anderem davon ab, woher die Pflanzenstoffe für die Produktion kommen. Die zur Erzeugung der Pflanzenkohle nötige Biomasse müsste dafür beispielsweise aus Ernterückständen gewonnen werden. Damit konkurriert diese Nutzungsform mit anderen, wie beispielsweise dem Anbau der Biomasse für die Energieerzeugung.

Literatur

Referenzen

  1. 1,0 1,1 1,2 WinklerPrins, A., M., G., A. und Aldrich, S., P. (2010): Locating Amazonian Dark Earths: Creating an interactive GIS of known locations. Journal of Latin American Geography, Vol. 9, 3.
  2. Golińska, B. (2014): Amazonian Dark Earths in the context of pre-Columbian settlements. Geology, Geophysic & Environment 40, 219-232.
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 3,6 Glaser, B. (2007): Prehistorically modified soils of central Amazonia: a model for sustainable agriculture in the twenty-first century. Philos. Trans. R. Soc. B Biol. Sci 362, 187-196.
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 Deutsche Bundesstiftung Umwelt (2015): Terra Preta Sanitation 1 – Background, Principles and Innovation. Osnabrück.
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 Glaser, B., Birk, J., J. (2012): State of the scientific knowledge on properties and genesis of Anthropogenic Dark Earths in Central Amazonia (terra preta de Índio). Geochimica et Cosmochimica Acta 82, 39-51.
  6. 6,0 6,1 6,2 Denevan, W., M. (1996): A Bluff Modell of Riverine Settlement in Prehistoric Amazonia. Annals of the Association of American Geographers 86, 654-681.
  7. 7,0 7,1 7,2 7,3 7,4 7,5 Falcão, N., P., S., Clement, C., R., Tsai, S., M., Comerford, N., B. (2009): Pedology, fertility, and biology of Central Amazonian Dark Earths. Amazonian Dark Earths: Wim Sombroek’s Vision. Springer, 213-228.
  8. McMichael, C., H., Palace, M., W., Bush, M., B., Braswell, B., Hagen, S., Neves, E., G., Silman, M., R., Tamanaha, E., K., Czarmecki, C. (2014): Predicting pre-Columian anthropogenic soils in Amazonia. Proc. R. Soc. B 281: 20132475.
  9. 9,0 9,1 Food and Acriculture Organization of the United Nations (2014): World Reference Base for Soil Resources 2014. International Soil classification system for naming soils and creating legends for soil maps. Update 2015. Rom.
  10. 10,0 10,1 Erickson, C., L. (2003): Historical ecology and future Explorations. Amazonian Dark Earths: Origins, Properties, Management. Springer, 445-500.
  11. Cunha, T., J., F., Novotny, E., H. Madari, B., E., Martin-Neto, L., Rezende, M., O., O., Canelas, L., P., Benites, V., M. (2009): Spectroscopy characterization of humic acids isolated from Amazonian Dark Earth Soils (terra preta de Índio). Amazonian Dark Earths: Wim Sombroek’s Vision. Springer, 363-372.
  12. Glaser, B., Haumaier, L., Guggenberger, G., Zech, W. (2001): The Terra Preta phenomen: a model for sustainable agriculture in the humid tropics. Naturwissenschaften 88, 37-41.
  13. Glaser, B., Guggenberger, G., Zech, W. (2003): Organic Chemistry Studies on Amaonian Dark Earths. In: Lehmann, J., Kern, D., C., Glaser, B., Woods, W., I. Amazonian Dark Earths. Origin, properties and management. Kluver Academic Publishers, 227-241.
  14. Lehmann, J. (2009): Terra Preta Nova – Where to from Here? Amazonian Dark Earths: Wim Sombroek’s Vision. Springer, 373-486.
  15. Prabhu, M., Horvat, M., Lorenz, L., Otterpohl, R., Bettendorf, T., Mutnuri, S. (2014): Effect of Terra Preta Compost on growth of Vigna Radiate. In: Terra Preta Sanitation. Deutsche Bundesstiftung Umwelt.

Autor:innen

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Dieser Artikel wurde geschrieben und gegengelesen von:
Anja Katzenberger, Philipp Maly
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