Chernozem
Der Chernozem (von russisch чернозём tschernosjom ‚Schwarzerde‘) ist eine Reference Soil Group (RSG) der internationalen Bodenklassifikation World Reference Base (WRB).[1] Er bildet sich typischerweise aus Lockersedimenten wie Löss und löseartigen Substraten, aber auch aus kalkreichen Geschiebelehmen und gehört in die Gruppe der Humusakkumulationsböden. Chernozeme sind die zonalen Böden der semihumiden bis semiariden Langgrassteppe.
Chernozem | |
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Südrussisches Chernozem-Profil mit Mullauflage. | |
Entsprechung in anderen Klassifikationen | |
DBK (KA5) |
Tschernoseme, Kalktschernoseme (mit Übergangssubtypen zu Braunerden und Parabraunerden) |
FAO/Unesco |
Chernozems |
USDA ST |
z.B. Ustolls |
Klassifikation | |
Ökozonena+b |
C,D,J |
FAO Bodenzonen |
Kastanozem-Haplic Phaeozem-Chernozem-Zone |
Reference Soil Group |
Chernozeme |
WRB Code |
CH |
Struktur | |
Charakteristische Horizontabfolgen |
Ah-Ck |
Qualifier für Klassifikation und Kartenerstellung | |
Principal Qualifier |
Petroduric/ Duric, Petrogypsic/ Gypsic, Petrocalcic/ Calcic, Leptic, Hortic, Gleyic, Fluvic, Vertic, Greyzemic, Luvic, Fractic, Skeletic, Vermic, Haplic |
Supplementary Qualifier |
Andic, Arenic/ Clayic/ Loamic/ Siltic, Aric, Cambic, Colluvic, Densic, Hyperhumic, Novic, Oxyaquic, Pachic, Raptic, Endosalic, Sodic, Stagnic, Technic, Tephric, Tonguic, Transportic, Turbic, Vitric |
a Vebreitung in Ökozone: |
A Polare und Subpolare Zone, B Boreale Zone, C Feuchte Mittelbreiten, D Trockene Mittelbreiten, E Winterfeuchte Subtropen, F Immerfeuchte Subtropen, G Trockene Subtropen und Tropen, H Sommerfeuchte Tropen, I Immerfeuchte Tropen, J Gebirgsregionen, K Weltweit verbreitete Böden |
b Ausmaß des Vorkommens: |
A co-dominantes Auftreten (Leitbodentyp), |
Definition
Nach Definition der WRB sind Chernozeme Böden mit mächtigem schwarzen Oberbodenhorizonten, mit hoher Akkumulation von organischem Material und hoher Basensättigung (BSpot ≥ 50 %).[1][2] Die Definition des Bodentyps Tschernosem nach DBG ist dagegen weniger spezifisch und umfasst auch andere Böden der trockenen Mittelbreiten, vor allem die verwandten Phaeozeme am Übergang zu den feuchten Mittelbreiten. Die Klasse der Schwarzerden innerhalb der DBG-Systematik ist noch umfassender. Sie beinhaltet mit Phaeozem, Chernozem und Kastanozem die wesentlichen Böden der Kastanozem-Haplic Phaeozem-Chernozem-Zone innerhalb der Klassifikation der FAO/Unesco Weltbodenkarte.[1][3]
Bildung und Vorkommen
Chernozeme sind einige der fruchtbarsten und produktivsten Ackerböden der Welt.[2] Sie bedecken etwa 230.000.000 Hektar der Erdoberfläche wovon ein Großteil ackerbaulich genutzt wird.[1]
Ausgangsgestein Löss
Das Ausgangsgestein zur Bildung dieses humusreichen Bodentyps ist meist Löss, aber auch lössartige Lehme, Mergel und Tone sind möglich.[4] Löss ist eine Sedimentdecke die entsteht, wenn die Geschwindigkeit des Windes abnimmt und sich Schluff, der in Gebieten mit wenig bis keiner Vegetation erodiert wurde, ablagert. Im Wesentlichen besteht er aus Bestandteilen der Siltfraktion und ist aufgrund der geringen Korngröße und dem damit leichtzugänglichen Mineralreichtum sehr fruchtbar.[5]
Klimatische Bedingungen
Eine Lössdecke fördert so die Entwicklung von Gräsern und Kräutern, die in extrem kontinentalen Gebieten in den feuchten Jahreszeiten im Frühling bzw. Frühsommer schnell wachsen und aufgrund anhaltender Trockenperioden im Hochsommer eingehen und vertrocknen. „Die fehlende Feuchtigkeit im Sommer und die tiefen Temperaturen im Winter verhindern eine Zersetzung bzw. Mineralisierung der organischen Substanz und führt somit zu einer ständigen Humusanreicherung“.[6] Durch diese ständige Humusbildung sind mächtige, humose A-Horizonte entstanden. Aufgrund des seit etwa 6000 Jahren in Mitteleuropa auftretenden feuchten Klimas, ist die Entwicklung von Chernozemen in Deutschland nicht möglich.[6]
Verbreitung
Aufgrund des Ausgangsmaterials und den nötigen klimatischen Bedingungen zur Bildung eines Chernozems, findet sich dieser Bodentyp fast ausschließlich auf der Nordhalbkugel und auch hier nur in den Breiten von etwa 40° - 60°N. Chernozeme treten sowohl in Nordamerika als auch in Eurasien auf. Während die absoluten Chernozem-Vorkommen in Eurasien ausgeprägter sind, ist der relative Anteil an der Gesamtfläche der trockenen Mittelbreiten Nordamerika deutlich höher.[7] Während Lössgebiete auch in Südamerika vorkommen, existieren dort nur sehr wenige, kleine Chernozemvorkommen.[7] Dieser Umstand beruht vor allem an der Streu der Hartlaubvegetation, die in den dortigen Winterfeuchten Tropen hauptsächlich vorkommt, sehr schwer abbaubar ist und somit die Humusanreicherung beeinträchtigt. Häufige Feuer im Sommer führen zudem zu Verlusten von Kohlenstoff, Stickstoff und Schwefel. Außerdem fehlen die tiefen Temperaturen in den Wintermonaten um die Mineralisierung zu verhindern.[2] Auf diese Weise bleibt Anreicherung die Humusanreicherung aus, obwohl das nötige Ausgangsgestein Löss vorhanden ist.
Eigenschaften
Aufbau
Der typische Axh-Horizont von Chernozemen ist eine fastschwarze, humose Masse die mit steigender Tiefe immer feiner wird. In den oberen Zentimetern befindet sich noch relativ grobes Material, das zum Teil nicht vollständig humifiziert ist. Der Grund dafür ist, dass es sich dabei um noch relativ junges Material handelt, das dort noch nicht lange liegt und vor absehbarer Zeit abgestorben ist. Chernozeme besitzen große Oberbodenmächtigkeiten von mindestens 40 cm, meist aber deutlich mehr, bis über 100cm. Dieser Oberboden geht in einen helleren und bräunlicheren C-Horizont über, der sich meist aus Löss oder lössartigen Bestandteilen zusammensetzt.[1]
Der Oberbodenhorizont ist dunkelbraun bis schwarz, oft über einem cambic oder argic Unterbodenhorizont. Zudem treten sekundäre Carbonate oder ein calcic Unterbodenhorizont auf.[1] Unter einem Argic Horizont versteht man einen Unterbodenhorizont, der deutlich höhere Tongehalte aufweist als der darüber liegende Horizont.[1] Ein Calcic Horizont ist durch die Anreicherung mit sekundärem Carbonat (CaCO3) gekennzeichnet.[1] Cambic ist gleichbedeutend mit einem Unterbodenhorizont, der im Vergleich zu den darunter liegenden Horizonten Verwitterungsmerkmale aufweist.[1]
Bioturbation
Die Fruchtbarkeit von Chernozemen beruht allerdings nicht alleine auf den Eigenschaften des anstehenden Löss. Ein wichtiger Bestandteil hierfür ist auch die starke Bioturbation. Durch wühlende Bodentiere wird die Streuauflage, bestehend aus frisch abgestorbener organischer Substanz (L-Horizont), zerkleinert und in den mineralischen Oberboden eingemischt.[3] Vor allem die von Kleinsäugern herrührenden Krotowinen sind für die Böden der Steppe und dabei vor allem die Chernozeme, charakteristisch. Damit verwischen die Grenzen zwischen Humus- und Mineralkörper, es entsteht ein humoser A-Horizont mit einer Mächtigkeit von teilweise mehr als 100cm.[2]
Erkennbar ist das Ergebnis der Bioturbation oft daran, dass die Horizonte bei unvollständiger Mischung schlierenartig durchsetzt sind, was das Bodengefüge stabilisert. Weil zwar alle Stoffe des Bodens beteiligt sind, jedoch größere Partikel nicht erfasst werden können, kommt es oft zu einer Kornsortierung. Durch einige Tiere, wie z.B. Ameisen, Mäuse und Regenwürmer, gelangen verlagerte Stoffe aus dem Unterbodenmaterial an die Oberfläche und werden dort abgelegt. Auf diese Weise wird einer Verlagerung von Ton und Nährstoffen durch intensive Tiertätigkeit entgegengewirkt und sogar die Entkalkung in semihumiden Klimaten verhindert werden. Eine derartig intensive Bioturbation findet nur in feinkörnigen Böden mit günstigen Wasser-, Luft- und Nährstoffverhältnissen statt, was wiederum auf das benötigte Ausgangsmaterial Löss verweist.[8]
Nutzung und Risiken
Aufgrund der ariden Sommermonate ist das Sättigungsdefizit der Luft beträchtlich und somit die Verdunstung groß. Deshalb trocknet der Boden tief aus. In den humiden Wintermonaten sammelt sich das Wasser der Niederschläge im Boden an und ermöglicht somit eine üppige Frühjahrsvegetation. Dadurch und aufgrund der Tatsache, dass der Chernozem einen mächtigen Humus- und Mineralkörper besitzt, eignet sich dieser als sehr fruchtbarer Ackerboden. Dies lässt sich auch bei einer Bodenbewertung aufgrund des Ackerschätzrahmens zweifelsfrei beweisen. Hierbei lässt sich der Chernozem zwischen der zweiten und dritten Zustandsstufe, also am Beginn der vollreifen Böden, einordnen.[9] Neben Weizen, Mais, Gerste, Sonnenblumen können auch Soja und Gemüse auf Chernozemen angebaut werden. Teilweise werden sie auch weidewirtschaftlich genutzt.[2]
Durch intensiven Ackerbau wird die Anfälligkeit für Wind- und Wassererosion von Chernozemen stark erhöht.[2] Dies führt dazu, dass sich die Mächtigkeit des humosen A-Horizonts verringert. In Hanglagen kann dies soweit führen, dass der A-Horizont fast vollständig abgetragen wird und den Verlust der Bodenfruchtbarkeit bedeutet.[8]
Um die Fruchtbarkeit des Bodens aufrecht zu erhalten, benötigt er eine Düngung mit Phosphor, da dieser zu stark verbraucht wird um durch natürliche Prozesse zu regenerieren.[8] Ein zu starker Entzug leistet der Erosion Vorschub und vermindert das landwirtschaftliche Potential beträchtlich. Da Phosphor sich kaum im Boden verlagert, muss er eingearbeitet werden, was natürlicherweise über Bioturbation, vor allem durch Würmer geschieht, die organische Abfälle einarbeiten. Da bei intensivem Ackerbau so gut wie alles organische Material bei der Ernte entfernt wird, können die von der Pflanze aufgenommenen Mengen an Phosphor aber nicht natürlich ersetzt werden.
Referenzen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 IUSS Working Group WRB (2015): World Reference Base for Soil Resources 2014, Update 2015. World Soil Resources Reports 106, FAO, Rom.
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 Zech, W., Schad, P., Hintermeier-Erhard, G. (2014): Böden der Welt: Ein Bildatlas. Springer, Heidelberg.
- ↑ 3,0 3,1 Ad-hoc-Arbeitsgruppe Boden (2005): Bodenkundliche Kartieranleitung, Hrsg.: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Geologischen Diensten, 5. Aufl., Stuttgart.
- ↑ Franz, H.-J. (1973): Physische Geographie der Sowjetunion. Haack, Gotha.
- ↑ Grotzinger, J., Jordan, T., (2016): Press/Siever Allgemeine Geologie. Springer, Berlin, Heidelberg.
- ↑ 6,0 6,1 Koppe W., Pape, M. (2004): Infoblatt Schwarzerde. Klett. URL: https://www.klett.de/alias/1012433 (Stand: 18.09.2019)
- ↑ 7,0 7,1 Eitel, B., Faust, D. (2013): Bodengeographie. Westermann. Braunschweig.
- ↑ 8,0 8,1 8,2 Amelung, W., Blume, H.-P., Fleige, H., Horn, R., Kandeler, E., Kögel-Knabner, I., Kretzschmar, R., Stahr, K., Wilke, B.-M. (2018): Scheffer/Schachtschabel Lehrbuch der Bodenkunde, 17. Auflage, Springer Spektrum, Heidelberg.
- ↑ Stahr, K. (2016): Bodenkunde und Standortlehre. 3. Auflage, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.
Weiterführende Informationen und Literatur
Autor:innen
- Dieser Artikel wurde geschrieben und gegengelesen von:
- Michael Hagl, Philipp Maly
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