Einkristall-Diffraktion
Einkristall-Diffraktion | |
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Methode | |
Englische Bezeichnung | Single Crystal Diffraction |
Was kann gemessen werden? | Gitterparameter des Kristallgitters |
Welche Materialien können gemessen werden? | Einkristalle |
Aufbereitung | |
Generell mögliche Aufbereitungsarten? | Probenzerkleinerung bis in den mm-Bereich und Festkleben an einer Glaskapillare, die im Goniometer fixiert ist. |
Erforderliche Probenmenge | 100er μm bis mm-Bereich |
Messprozedur | |
Kalibration notwendig | Ja |
Administrator notwendig | Nein |
Messung = Dienstleistung | Ja |
Messung selbständig möglich (nach Einweisung) | Ja, bedingt |
Dauer der Messung pro Probe | Abhängig von Fragestellung (mehrere Stunden) |
Ausgabeformat | Datensatz mit hkl Reflektionen |
Bilder | |
Darstellung des Vierkreis-Goniometers | |
Schematische Darstellung der Eulerwiege [1] |
Physikalische Standardmethode zur qualitativen Bestimmung der Struktureigenschaften (atomare Abstände, Einheitszelle, Gitterparameter etc.) eines Einkristalls.
Grundprinzip
Theorie der Diffraktion Ein Kristall besteht aus Atomen, die periodisch angeordnete Gitterebenen (hkl) ausbilden, die im Abstand dhkl zueinanderstehen. Da Röntgenstrahlen ca. die gleiche Wellenlänge wie die Gitterabstände dhkl in einem Kristall haben (Å), können sie in Diffraktionsexperimenten verwendet werden, um Kristallstrukturen zu bestimmen. Wenn Röntgenstrahlen die Gitterebenen treffen, werden die Strahlen an den Elektronen des Atoms gestreut. Gemäß Braggs Gesetz wird eine konstruktive Interferenz erzeugt, wenn der Winkel θ zwischen dem Röntgenstrahl und der Gitterebene in einem Gangunterschied endet, die ein Vielfaches der Wellenlänge des Röntgenstrahls λ und die Beugung im Winkel von 2θ zwischen eingehenden und ausgehenden Strahl ist.
(1)
Eine Gitterebene ist in Diffraktionsposition, wenn die Flächennormale G (reziproker Gittervektor) den einfallenden und ausfallenden Strahl (die mit dem Wellenvektor k [einfallende Welle] und k’ [ausfallende Welle] beschrieben werden können) symmetrisch halbiert. k und k’ sind hierbei senkrecht zu der Wellenfront der Röntgenstrahlen. Die Beziehung G = k’ – k kann über die Konstruktion der Ewalds Sphäre veranschaulicht werden, diese den reziproken Raum (der über die reziproken Gitterpunktreflektionen beschrieben werden kann) mit dem realen Raum (in dem der Kristall, bestehend aus den Gitterebenen im Zentrum der Sphäre) verbindet. Die Sphäre hat dabei den Radius 1/λ. In der Einkristall-Diffraktion wird der Kristall um (0 0 0) gedreht. Trifft ein reziproker Gitterpunkt die Ewalds Sphäre, ist die Beugungsbedingung (1) erfüllt und der Röntgenstrahl wird gebeugt. Die Reflektion wird mit dem Detektor erfasst.
Funktionsweise
Fourier Transformation und Phasenproblem Beugt der Kristall die Röntgenstrahlen, so teilt dessen drei-dimensionale Elektronendichtefunktion mittels der Fourier-Analyse den kohärenten Röntgenstrahl in individuelle Wellen Fo(hkl). Der Strukturfaktor Fo(hkl) beschreibt das Streuvermögen der Einheitszelle, die der Summe der Streuvermögen der einzelnen Atome entspricht. Sind alle individuellen Wellen Fo, einschließlich ihrer Amplitude und Phase bekannt, so wäre es möglich mittels der Fourier-Synthese die Elektronendichtefunktion des Kristalls, und damit die Kristallstruktur, zu rekonstruieren.
ermöglicht die Berechnung der Elektronendichteverteilung ρxyz für jeden Punkt XYZ in der Einheitszelle.
In der Röntgenbeugung ist es nur möglich die Intensitäten der Reflektionen aufzuzeichnen, die das Modul |Fo(hkl)| der Fourier Koeffizienten Fo(hkl) (die Amplitude) liefern. Informationen über die Phasen (Phasenwinkel und Vorzeichen) können nicht direkt gemessen werden und gehen verloren im Experiment. In der Röntgenbeugung nennt man dies das Phasenproblem. Um die Winkel der Phasen für jede Bragg Reflektion zu ermitteln und die atomare Struktur des Kristalls zu lösen, können die Patterson- und Direkte Methode angewandt werden. Beide Lösungsansätze erstellen ein Strukturmodell, die anhand einiger bekannter Atompositionen die Berechnung theoretischer Strukturfaktoren Fc(hkl) ermöglichen. Wird der berechnete Strukturfaktor nun mit dem beobachteten Strukturfaktor verglichen, so wird ein optimiertes Modell erstellt, mit dem die Prozedur bis zu einem zufriedenstellenden Ergebnis wiederholt werden kann.
Patterson Methode Die Technik verwendet ein Strukturmodell basierend auf den direkt gemessenen |Fo, hkl|2-Werten, die in die folgende Patterson Funktion eingesetzt werden:
P_uvw= 1/V ∑_hkl |F_hkl |^2 ∙e^(-i2π(hu+kv+lw)) (3)
Die Funktion repräsentierte die Verteilung der interatomaren Vektoren (uvw), die die beiden Atome i und j miteinander verbinden, mit uij = ±(xi-xj), vij = ±(yi-yj), wij = ±(zi-zj). Dargestellt werden sie in der ,,Patterson Karte‘‘ als Peaks. Sind die richtigen Symmetrieoperationen und die richtige die Raumgruppe bekannt, können über die Peak Koordinaten die Atomkoordinaten abgeleitet werden. Dabei gibt die Peak Höhe das Streuvermögen der Atome an: Das Maxima resultiert als Produkt der Elektronenanzahl (Ordnungszahl Z) der Atome. Schwere Atome mit vielen Elektronen bilden deshalb höhere Peaks aus, als leichtere Atome: IP= Zi * Zj (4) Der höchste Peak in der Karte wird immer in (0 0 0) lokalisiert sein, aber muss nicht berücksichtigt werden, da er mit den Abstand der Atome zueinander korreliert. Haben alle Atome eine ähnliche Ordnungszahl, so wird die resultierende Patterson Karte nahezu unmöglich sein zu interpretieren und eine andere Methode sollte angewendet werden, um das Phasenproblem zu lösen. Daher ist es bevorzugt, wenn die Kristallstruktur einige schwere aber hauptsächlich leichtere Atome beinhaltet, um die Peaks der starken Streuer leichter zuzuschreiben. Für den Fall ist die Patterson-Methode empfohlen um ein anfängliches Strukturmodell der schweren Atome zu erstellen. Die so genannten Harker-Peaks, die von zwei Atomen in symmetrieäquivalenten Positionen erzeugt werden, sind besonders prägnant und dafür geschaffen, die Lokalisation der schweren Atome auszumachen.
Direkte Methode
Im Gegensatz zur Patterson-Methode, werden die Phasenwinkel direkt von den Strukturamplituden durch die Beziehung zwischen Intensitäten und Reflexionsindizes bestimmt. Zwischen den Vorzeichen von Fhkl gibt es notwendigerweise einen Zusammenhang, da die Elektronendichte in der gesamten Einheitszelle > 0 ist. Das hat zur Folge, dass es eine Beziehung zwischen den Phasenwinkel der Reflexionstripletts gibt: 1. Reflektion: h, k, l; 2. Reflektion: h’, k’, l’; 3. Reflektion: h-h’, k-k’, l-l’.
F_hkl=k∙ ∑(F_(h^' k^' l^' )∙F_(h-h^',k-k^',l-l^' )) (5) (k: Skalierungsfaktor)
Gleichung (5) gibt an, dass es möglich ist den Strukturfaktor der Reflektion hkl mit der Summe der Produkte der Strukturfaktoren von allen Reflexionspaaren h’, k’, l’ und h-h’, k-k’, l-l’ zu berechnen.
Aufgrund der Abnahme der atomaren Streuleistung bei hohen 2θ Winkeln, nimmt die beobachtete Intensität bei hohem 2θ ab. Um die Amplituden der gemessenen Intensitäten unabhängig der Bragg Winkel zu vergleichen, werden die geringen Intensitäten bei hohen 2θ über den normalisierten Strukturfaktor E verstärkt.
E^2=k ∙ F^2/(ε∙∑ f_i^2 ) (6) (k: Skalierungsfaktor, ε: Gewichtung, f: atomare Streuvermögen für jedes Atom i)
Reflexionen mit E > 2 werden dabei als starke Reflektionen angesehen. Der Wert von <E2-1> gibt Auskunft darüber, ob ein Inversionszentrum vorliegt: <E2-1> ≥ 0.97 für zentrosymmetrische Strukturen und <E2-1> ≤ 0.74 für nicht-zentrosymmetrische Strukturen.
Die meisten von der Direkten Methode gelösten Strukturen wurden durch Triplett-Beziehungen gelöst. Für zentrosymmetrische Strukturen kann das Phasenproblem mit der Bestimmung des richtigen Vorzeichens des Phasenwinkels (φ = 0° (+) oder φ = 180°(-)) gelöst werden. Hierzu verwendet man folgende Gleichung:
Shkl ≈ Sh’k’l’ * Sh-h’ k-k’ l-l’ (7)
Die Triplett-Beziehung erlaubt die Berechnung des Vorzeichens der Reflektion hkl durch die Vorzeichen der Reflexionen h’, k’, l’ und h-h’, k-k’, l-l’, aber nur, wenn alle Reflexionen des Tripletts starke Reflexionen sind.
Ein spezieller Fall liegt vor, wenn es sich bei h’k’l’ um eine starke Reflexion handelt und beide Reflexionen Eh’k’l’ und Eh-h’, k-k’, l-l’ identisch sind. Dann ist hkl positiv. Weiterführend erklären die so genannten Harker-Kasper-Ungleichheiten, dass wenn das Quadrat des Einheitsstrukturfaktors U2hkl (Uhkl: Anteil von Fhkl an der gesamten Strukturamplitude F000; Uhkl = Fhkl / F000) groß ist (> ½), dann hat U2h2k2l ein positives Vorzeichen.
Für nicht-zentrosymmetrische Strukturen liegen die Phasen zwischen 0 und π und können durch die so genannte Tangenten-Formel (siehe in der Literatur, z.B. Pecharsky 2005) angenähert werden.
Diffraktometer Geometrie
Für Einkristall-Diffraktionsexperimente an der LMU wird ein Kappa Vierkreis-Goniometer verwendet. Röntgenstrahlen werden durch das Erhitzen eines Wolframfadens erzeugt, die produzierten Elektronen werden dann bei einer bestimmten Spannung (40kV) beschleunigt und auf eine Molybdän- oder Kuper-Anode gelenkt. Haben die Elektronen genügend Energie um die Elektronen der Innenschale des Zielmaterials zu entfernen, so wird weiße Röntgenstrahlung, die Bremsstrahlung und charakteristische Röntgenstrahlung enthält, durch ein Röntgenstrahl-transparentes Beryllium Fenster emittiert. Im Allgemeinen wird die stärkste charakteristische Kα1-Strhlung häufiger in Beugungsexperimenten verwendet. Der Primärmonochromator (hoch-orientierten (200) Graphit-Einkristall) selektiert Kα1 von dem sehr nahen Kα2 (auch K). Welche Strahlung verwendet wird ist abhängig von der Fragestellung und der zu analysierenden Proben, z.B. in den Geowissenschaften wird meist Mo-Strahlung (λ(Kα)=0.71Å) verwendet. In der organischen Chemie wird wiederum öfters eine Cu-Anode (λ(Kα)=1,54Å) ausgewählt. Nachdem eine bestimmte Wellenlänge ausgewählt wurde, wird der Röntgenstrahl mittels einem Kollimator parallelisiert und durch einen Einkristall fokussiert. Auf der gegenüberliegenden Seite des Kollimators befindet sich der Primärstrahlstopp, der Strahlungsschäden der direkten Strahlung am Detektor verhindert. Eine im Diffraktometer perfekt zentrierte Probe wird dem Röntgenstrahl ausgesetzt. Der Kristall streut die eintreffende Strahlung sobald Braggs Gesetz (1) erfüllt ist und die reziproken Gitterpunkte die Oberfläche der Ewalds Sphäre treffen. Um die Gitterebenen in Diffraktionsposition zu bringen, wird eine Eulerwiege mit einer Vierkreis Geometrie genutzt. Die vier Kreise korrespondieren zu den vier Winkeln, die das Kristallgitter, den eingehenden Strahl und den Detektor verbinden.
Die gemessenen Reflexionen sind abhängig von der Position der Gitterebenen im Kristall, die in alle Richtungen zeigen. Um die höchste Anzahl an Bragg-Reflexen in Diffraktionsposition zu bringen ist es nötig, den Kristall um die vier Kreise zu rotieren: Der Kopf des Goniometers mit der Probe kann sich um seine eigene Achse drehen (Φ-Kreis), um Gitterpunkte auf die Ewalds Sphäre zu bringen. Die Probe befindet sich im χ-Kreis, der in vertikale Richtung rotiert, während der Ω-Kreis horizontal rotiert. Die beiden Rotationen bringen die Ewalds Sphäre zur Diffraktionsebene. Der Detektor ist dem vierten Kreis (2θ-Kreis) angeheftet, der in einer horizontalen Fläche rotiert und damit Kristallreflexionen auffängt. Ein CCD-Sensor (engl. charge coupled device) wird verwendet, um die gestreuten Röntgenstrahl-Photonen von jedem gemessenen Reflexionspunkt in sichtbare Lichtphotonen umzuwandeln. Hierzu wird ein fluoreszierender Phosphorschirm verwendet. Die Lichtphotonen werden durch einen Bildumwandler und einen Halbleiterzähler inDiff ein elektrisches Signal umgewandelt.
Probenaufbereitung
Liegt ein größerer Einkristall als Probe vor, wird dieser in kleine Fragmente zermalmt. Um gute Daten in alle Richtungen zu erlangen, sollten Nadel- und Platten-ähnliche Bruchstücke vermieden werden, und sphärische Fragmente verwendet werden. Die Probe wird anschließend mit Nagellack an die Spitze eines Glaskapillars geheftet und mithilfe von Knete im Goniometer fixiert. Die Zentrierung, die verhindert, dass die Probe dem Röntgenstrahl wird über Rotationsbewegungen überprüft.
Fehlerquellen
- irreguläre Kristallform (am besten Kugel-, Ellipsoid-, oder Würfel-förmig)
- fehlerhafte/keine Zentrierung des Goniometers
- hohe Absorption des Kristalls
Vor- und Nachteile
- + Genaue Strukturbestimmung
- - Relativ aufwändige Auswertung
Einsatzbereiche
Anwendungen findet die Röntgenbeugung nicht nur mit der klassischen Röntgenstrahlung, sondern auch mit Synchrotron Röntgen-, Neutronen- oder Elektronenstrahlung. Die Einkristall-Diffraktometrie ist dabei ein wichtiges Element der Strukturanalyse in der Kristallographie und Mineralogie. Sieht man von dem speziellen Fall des Einkristalls ab, so können auch mehrkomponentige Pulver und kristallisierte Proteine mittels Röntgenbeugung gemessen werden. Womit die Röntgenbeugung auch als wichtige Messmethode in der Biophysik und den Materialwissenschaften Anwendung findet.
Lehrveranstaltungen
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Verzeichnis von Normen und Richtlinien
- DIN 50433-1 - Bestimmung der Orientierung von Einkristallen mit einem Röntgengoniometer,
- DIN 50433-2 - Bestimmung der Orientierung von Einkristallen nach der Lichtfigurenmethode
- DIN 50433-3 – Bestimmung der Orientierung von Einkristallen mittels Laue-Rückstrahlverfahren
- DIN EN 13925-1 - Röntgendiffraktometrie von polykristallinen und amorphen Materialien - Teil 1: Allgemeine Grundlagen
- DIN EN 13925-2 - Röntgendiffraktometrie von polykristallinen und amorphen Materialien - Teil 2: Verfahrensabläufe
- DIN EN 13925-3 Röntgendiffraktometrie von polykristallinen und amorphen Materialien - Teil 3: Geräte
Literatur
- Pecharsky V.K, Zavalij P.Y. (2005) Fundamentals of Powder Diffraction and Structural Characterization of Materials. Springer, New York.
- Massa W. (2009) Kristallstrukturbestimmung. Springer Spektrum, Wiesbaden.
- Spiess L., Teichert G., Schwarzer R., Behnken H., Genzel C. (2009) Moderne Röntgenbeugung: Röntgendiffraktometrie für Materialwissenschaftler, Physiker und Chemiker, Springer Verlag.
Referenzen
Autor:innen
- Dieser Artikel wurde geschrieben und gegengelesen von:
- Frank Förster, Andreas Appel, Sohyun Park
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