Silur
Das Silur ist das dritte der sechs Zeitalter des Erdaltertums (Paläozoikum). Es begann vor 443,4 Millionen Jahren mit der Ordovizium-Silur-Krise und endete vor 419,2 Millionen Jahren mit dem Übergang in das Devon. Entsprechend ist das Silur mit einer Dauer von 24,2 Millionen Jahren das drittkürzeste System der Urgeschichte, nur die Systemen Neogen und Quartär dauerten kürzer an.
Das Silur wurde eingeleitet von dem ersten Auftreten der Graptolithen-Arten Parakidograptus acuminatus und Akidograptus ascensus, zwei sogenannte Katastrophen-Taxa, die auf die Ordovizium-Silur-Krise folgten. Das Ende des Silurs markiert das erste Auftreten von Monograptus uniformis, ebenfalls aus der Familie der Graptolithen. Bedeutende Leitfossilien aus dem Silur sind die Korallen-Art Cystiphyllum niagarense und die Nautiloideen-Art Hexamoceras hertzeri.
Wichtige Ereignisse:
- Kaledonische Orogenese
- Landgang der Wirbellosen
- Ireviken-Event
- Mulde-Event
- Lau-Event
Unterteilung
Trotz seiner kurzen Dauer unterteilt man das Silur in vier Serien: Llandovery, Wenlock, Ludlow und Pridolium in chronologischer Reihenfolge.
Llandovery ist hiervon mit 10 Millionen Jahren die längste Serie, unterteilt in die drei Stufen Rhuddanium, Aeronium und Telychium. Darauf folgt das 6 Millionen Jahre andauernde Wenlock, zweigeteilt in die Stufen Sheinwoodium und Homerium. Das darüberliegende Ludlow (6,4 Millionen Jahre) wird in Gorstium und Ludfordium unterteilt, und das abschließende Pridolium ist zu kurz, um noch weiter unterteilt zu werden.
Namensherkunft
Roderick Murchinson wählte den Namen Silur nach den Silurern, einem keltischen Volksstamm, der während der Eisen- und Römerzeit den Süden von Wales besiedelte. Der Name wird von einigen Südwalisern noch immer als Selbstbezeichnung verwendet, obwohl sich die Spuren des Stammes in der Völkerwanderung verlieren. Das ehemalige Territorium des Silurer-Stammes umfasste Grauwacken, Tonsteine und Graptolithenschiefer aus der Epoche des Silurs.
Fundstellen
Das Silur ist in Deutschland kaum aufgeschlossen. Es finden sich silurische Ablagerungen lokal in Thüringen und Sachsen, bei Zwickau und Gera, die größten Flächen liegen jedoch jenseits unserer Grenzen in Tschechien (Böhmen) und den karnischen Alpen (Österreich/Italien).
Global wichtige Fundstellen für Fossilien des Silurs sind u. a. die Wenlock-Serie im Vereinigten Königreich Großbritannien und die Waukesha Biota (Llandovery) im US-Bundesstaat Wisconsin.
Geologie
Plattentektonik
Das Silur war der Höhepunkt der kaledonischen Orogenese. Das mit dem Mikrokontinent Avalonia verschmolzene Baltika näherte sich dem Kontinent Laurentia an. Der erste Kontakt zwischen den kontinentalen Krustenteilen fand im Untersilur statt und das Kaledonische Orogen faltete sich auf. Dabei wurde der Iapetus-Ozean teilweise subduziert. Die inzwischen stark verwitterten Überreste des Kaledonischen Orogens finden sich heute in den Gebirgs- und Hügelstrukturen von Norwegen und Schottland, sowie in den Nördlichen Appalachen an der Ostküste der USA.
Zwischen den beiden Nördlichen Kontinenten (Baltika und Laurentia) und dem südlichen Kontinent Gondwana lag der Rheische Ozean, der im Mittelsilur seine größte Ausdehnung hatte, und in der ab dem Devon folgenden, variszischen Orogenese subduziert werden würde. Erste Anzeichen dieser Orogenese zeigten sich jedoch schon im Obersilur, als sich das Hun-Superterran, ein Kleinkontinent, der heute Teile Europas und Zentralasiens ausmacht, vom Nordrand Gondwanas ablöste. Gemeinsam mit anderen Kontinentstücken, die mit dem Hun-Superterran nordwärts geschoben wurden, bildete es die Gruppe der sog. Peri-Gondwanischen Terrane. Zwischen ihnen und ihrem Mutterkontinent Gondwana öffnete sich die Paläothetys. Ein weiteres Superterran das ebenfalls Teil der Peri-Gondwanischen Terrane war, und eventuell sogar mit dem Hun-Superterran über eine Landbrücke verbunden war, trägt den Namen Armorica. Die genaue Form, Größe und Position dieser Terrane zu bestimmten Zeitpunkten der Erdgeschichte kann mit den heutigen Mitteln der Wissenschaft noch nicht rekonstruiert werden. Tatsächlich ist sogar die Existenz beider Superterrane noch nicht weltweit anerkannt, weshalb manche Quellen nur eines oder keines der beiden Terrane erwähnen.
Sedimente
Silurische Sedimente zeichnen sich durch einen charakteristisch hohen Anteil an Graptolithenschiefer aus. Unterbrochen immer wieder von Quarzsand- und Kalksteinlagen ist vor allem die Wenlock-Serie von diesem dunklen, mikrofossilreichen Gestein geprägt, speziell in den tiefermarinen Ablagerungsgebieten. Ab der Ludlow-Serie dominiert meist der Kalkstein, der hier von den Riffbildnern hinterlassen wurde. In den meisten Fundstellen macht Kalkstein schließlich das gesamte oder besonders große Teile des Pridolium aus. Die Verteilung scheint jedoch eher mit der jeweiligen Wassertiefe zusammenzuhängen als mit einer tatsächlichen Entwicklung der Riffbildner oder Graptolithen, da die Verbreitung von beiden durch das gesamte Silur hindurch mehr oder weniger konstant blieb.
Klima
Mit einer Bodentemperatur von durchschnittlich 17°C war das Silur ca. 3°C wärmer als unser gegenwärtiges Klima. Der CO2-Gehalt der Atmosphäre lag mit ca. 4500 ppm (=parts per million) auf dem rund 12-fachen des heutigen Niveaus, jedoch mit einer klar abnehmenden Tendenz gegen Ende des Silurs. Diese Abnahme des atmosphärischen CO2-Gehalts könnte sich womöglich durch die Evolution der Landpflanzen und die dadurch gestiegene Photosyntheserate erklären lassen (siehe Flora und Fauna). Der atmosphärische Sauerstoffgehalt stieg dementsprechend erstmals über 14%, was etwa 7/10 des heutigen Volumenanteils entspricht.
Erstaunlicherweise fiel der meridionale Temperaturgradient (sprich der Temperaturunterschied zwischen dem jeweiligen Pol und dem Äquator zur selben Jahreszeit) während des Silurs und des folgenden Devons deutlich geringer aus als heute. Die Pole, von denen der Südliche auf Gondwana, sprich auf dem Festland lag, blieben vermutlich ganzjährig eisfrei, wenn man von regelmäßigen Kalt- und Warmzeitperioden und den damit verbundenen lokalen Vergletscherungen einmal absieht. Der Meeresspiegel lag entsprechend hoch und überflutete den Kontinentalschelf, sank aber ab Mitte des Silurs wieder.
Massenaussterben
Ab dem Wenlock zeugt eine Serie von kleineren Massenaussterben innerhalb der noch weitestgehend marinen Fauna von starken klimatischen Schwankungen. Vermutlich löste der Vulkanismus, der die Kontinent-Kontinent-Kollision zwischen Baltika und Laurentia und die Grabenbrüche in Nordgondwana bei der Abspaltung der Peri-gondwanischen Terrane begleitete, diese Aussterbeereignisse aus: Die chemischen und klimatischen Auswirkungen dieser Vulkanausbrüche störten wahrscheinlich den Kohlenstoffkreislauf im Meer und lösten so die Nahrungskette ausgehend von den Primärproduzenten her auf. Man geht bei diesen Ereignissen allerdings nicht von der Entstehung lebensfeindlicher anoxischer Zonen im Meer aus.
Im Lauf des Silurs ereigneten sich in kurzer Folge drei wesentliche Massenaussterben, das Ireviken- (Llandovery/Wenlock), Mulde- (Wenlock) und Lau-Event (Ludlow). Kurz nach jedem der drei Massenaussterben lässt sich eine Isotopenverschiebung im damaligen Meeressediment beobachten, was auf anoxische Ereignisse im Meerwasser hinweist. Besonders pelagische Organismen, die sich im freien Wasser bewegen, waren vom Aussterben betroffen und im Rahmen jedes Ereignisses kam es zu starken Meeresspiegelschwankungen. Ursache dieser Ereignisse könnte starker Vulkanismus gewesen sein. Erstaunlich ist jedoch, dass alle drei Ereignisse eine nahezu identische Signatur im Gestein hinterlassen haben und in derartig schneller Folge stattfanden.
Flora und Fauna
Nach der Krise
Die Ordovizium-Silur-Krise, auch Ordovizisches Massenaussterben genannt, das die Grenze zwischen beiden Epochen markiert, war ein einschneidendes Ereignis, das mit einer Extinktionsrate von 85% als das zweitstärkste Massenaussterben der Erdgeschichte gilt. Mit dem Verlust von 60% der Gattungen und 26% der Familien waren mit Beginn des Silurs viele ökologische Nischen frei geworden und boten neue Möglichkeiten für opportunistische Katastrophentaxa. Besonders betroffen waren die Kopffüßer, die im Ordovizium noch die Spitze der Nahrungskette bildeten, ab dem Silur jedoch zunehmend verdrängt wurden. Aber auch Moostierchen, Korallen, Stachelhäuter und viele Muschelarten waren von dem Massenaussterben stark dezimiert worden und machten jetzt neuen Arten Platz.
Die Paläozoische Fauna (nach Jack Sepkoski, abgegrenzt von der ursprünglichen, kambrischen und der modernen Fauna) war vom Ordovizischen Massenaussterben insgesamt stärker betroffen als die noch immer existierende Kambrische Fauna. Allerdings regenerierte sich die Paläozoische Fauna binnen 10 bis 15 Millionen Jahren wieder auf eine Artenzahl ähnlich der vor dem Massenaussterben, während die Kambrische Fauna weiter ausstarb. Sie existierte noch bis ins Perm hinein, jedoch nur noch mit einer geringen Artenzahl.
Mit Ende des Ordovizischen Massenaussterbens schmolzen die Eisschilde auf dem Festland vollständig ab, wodurch die Schelfbereiche der Kontinente wieder überflutet wurden und der für das Silur charakteristische Meereshochstand zustande kam. Kieferlose Fische (Agnatha) besiedelten die neu entstandenen Flachwasserzonen, in denen Runzel- und Bödenkorallen (Rugosa und Tabulata), sowie Stromatoporen gleichzeitig mit dem Aufbau neuer Riffstrukturen begannen.
Wirbeltiere und Wirbellose
Ein neues Wirbeltier-Taxon trat auf. Aus den kieferlosen Fischen entwickelten sich erstmals kiefertragende Organismen (Gnathostomata). Teile des unter dem Schädelknochen gelegenen Knochengerüsts, das ursprünglich die Mundhöhle stabilisierte, konnten von diesen Tieren nun unabhängig voneinander bewegt werden. Diese Fähigkeit sollte sich im Lauf des Silurs als ein entscheidender evolutiver Schritt erweisen. Denn mit Beginn des Devons übernahmen die kiefertragenden Fische die Spitze der Nahrungskette.
Noch waren die Fische jedoch ausnahmslos Beute der größeren Wirbellosen. So erlebten beispielsweise die Eurypteriden (Seeskorpione) eine weitere Radiation. Im Pridolium, der letzten Serie des Silurs, war ihre Artenvielfalt am größten. Ab dem mittleren Silur bildeten die großen Eurypteriden die Spitze der Nahrungskette in den meisten flachmarinen Regionen und erreichten mit Vertretern wie Jaekelopterus (Über-Familie Pterygotioidea) oder Carcinosoma (Über-Familie Carcinosomatoidea) eine beachtliche Länge von bis zu 2,5 Metern. Kleinere Eurypteriden waren jedoch deutlich häufiger als diese Riesen, so macht zum Beispiel der namensgebende Eurypterus (13-23 cm Körperlänge) bis zum heutigen Tag über 90% der Eurypteriden-Funde aus.
In den flachen Schelfregionen jagten auch echte Skorpione und andere Spinnentiere nach Beute. Gattungen wie Brontoscorpio, von denen vermutet wird, dass sie sowohl an Land, als auch im Wasser überleben konnten, erreichten eine Körperlänge von nur knapp unter einem Meter. Sie ernährten sich vermutlich von Fischen und kleineren Eurypteriden, wurden aber ihrerseits Beute der großen Seeskorpione.
Auch Trilobiten besiedelten die Schelfbereiche. Obwohl ihre Vielfalt durch das Ordovizische Massenaussterben von ehemals 42 Familien auf nunmehr 19 reduziert wurde blieben sie ein wichtiger Teil des Ökosystems.
Die sessilen Brachiopoden erlebten in Folge des Ordovizischen Massenaussterbens eine starke Radiation. So ist vor allem die Familie Spiriferida deutlich artenreicher geworden und es entstand eine weitere Familie, die Terebratulida.
In der Gruppe der Cephalopoden bahnten sich im Lauf des Silurs Veränderungen an: Nachdem sie das Ordovizische Massenaussterben zwei Drittel ihrer Artenvielfalt gekostet hatte, entwickelten sich ab dem Silur erste Kopffüßer mit einem gebogenen, letztendlich sogar einem ansatzweise aufgerollten Gehäuse.
Unter den Graptolithen entwickelten sich die Monograptiden, die jedoch im Unterdevon wieder ausstarben.
Der Landgang der Pflanzen
Ob der Landgang der Pflanzen vor oder nach dem ordovizischen Massenaussterben stattfand, ist bis heute umstritten. Belegt sind jedoch ab dem Silur die ersten eindeutig terrestrischen Pflanzen. So ist beispielsweise Cooksonia ein prominenter Vertreter der frühen Landpflanzen, die sich ab dem Wenlock entwickelten.
Die ersten Pflanzen an Land waren Moose und die primitiven Vorreiter der späteren Gefäßpflanzen. Sie entwickelten sich vermutlich aus den Jochalgen und konnten anfangs nur bei dauerhaftem Stand im Süßwasser überleben. Für Pflanzen hatte das Durchbrechen der Wasseroberfläche eine zentrale Bedeutung, da sie oberhalb des lichtbrechenden Mediums das ungefilterte Sonnenlicht absorbieren konnten, was ihre photosynthetische Autotrophie (Ernährung von eigens gebildeten Zuckermolekülen) erhebliche erleichterte.
Zur Anpassung an das Leben über Wasser waren jedoch bedeutende strukturelle Veränderungen nötig: Da Luft keinen Auftrieb bietet, müssen sich Pflanzen mit einem Stützgewebe aus Cellulose in der Vertikale halten. Verdunstung und Dehydration wurden ein lebensgefährliches Problem. Dem wurde mit Spaltöffnungen und/oder einer wächsernen Schutzschicht auf den Blättern entgegengewirkt. Um Nährstoffe innerhalb der Pflanze zu verteilen entwickelten sich erste Formen eines Leitgewebebündels. Pflanzen, die ein solches Gewebe entwickelten bildeten die ersten sogenannten Gefäßpflanzen (Tracheophyta).
Alle im Silur entstandenen Pflanzenarten waren Sporenpflanzen. Die Entwicklung von Samen folgte erst im Karbon mit den ersten Samenfarnen und Cordaiten.
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Vorherige und nachfolgende Epoche
Vorherige Epoche: Ordovizium
Nachfolgende Epoche: Devon
Referenzen
Stephen Brusatte: Aufstieg und Fall der Dinosaurier. Piper Verlag, München 2018, ISBN 978-3-492-05810-0
Tim Haines, Paul Chambers: The complete guide to prehistoric life, Firefly Books, Richmond Hill, Ontario 2010, ISBN 978-1-55407-181-4
Bradley D. Cramer, Daniel J. Condon, Ulf Söderlund, Carly Marshall, Graham J. Worton, Alan T. Thomas, Mikael Calner, David C. Ray, Vincent Perrier, Ian Boomer, P. Jonathan Patchett, Lennart Jeppsson: U-Pb (zircon) age constraints on the timing and duration of Wenlock (Silurian) paleocommunity collapse and recovery during the “Big Crisis”. (PDF) In: Geological Society of America (Bulletin). 124, Nr. 11–12, Oktober 2012, S. 1841–1857
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Braddy, S. J., Poschmann, M. & Tetlie, O. E. Giant claw reveals the largest ever arthropod. Biol. Lett. 4, 106–109 (2008)).
Weitere Informationen und Literatur
Lehrveranstaltungen
P3 Erdgeschichte
WP23 Evolution und Systematik
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