Ichnofossilien

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Ichnofossilien (auch Spurenfossilien genannt) sind versteinerte Spuren oftmals ausgestorbener Lebewesen.

Man unterscheidet sie von den Körperfossilien dadurch, dass sie nicht den Leichnam des Verursachers enthalten, sondern nur aus dessen Bewegungen zu Lebzeiten entstanden sind.

Ichnofossilien sind für die Paläorekonstruktion wichtig, da sie neben den Bewegungsmustern der Tiere auch Einblick in ihr Sozialverhalten und ihre Beziehung zueinander ermöglichen. Die Palichnologie, die Wissenschaft der Spurenfossilien, ist in dieser Hinsicht der rezenten Forensik sehr ähnlich.

Namensherkunft

Das Wort "Ichnofossil" leitet sich vom griechischen Wort "íchnos", was "Fußspur" bedeutet, und dem lateinischen Wort "fossilis", was "ausgegraben" bedeutet, ab.

Unterteilung der Ichnofossilien

Ichnofossilien werden abhängig von ihrer Entstehung und Form grob in mehrere Kategorien unterteilt.

Trittsiegel (Repichnia)

Trittsiegel, also Fußabdrücke, entstehen, wenn sich ein Tier über einen weichen Untergrund bewegt oder aufgrund seiner enormen Masse in einen festeren Untergrund einsinkt. Trittsiegel liefern Informationen über die Bewegungsmuster der Beine, sowie über die Geschwindigkeit und das Lebendgewicht der Tiere. Aus ihnen kann rekonstruiert werden, wie weit die Beine eines Tiers auseinander standen, ob sein Torso während dem Bewegungsablauf den Boden berührte (bei vielen Amphibien und Reptilien der Fall) und in welchem Winkel die Zehen positioniert waren. Bei besonders guter Erhaltung können Hauttexturen der Fußsohle aus dem Negativ rekonstruiert werden.

So belegten beispielsweise Fußspuren von Dromaeosauriern in Shandong, China, dass die kleinen Raubsaurier der Familie Maniraptora nur auf dem dritten und vierten Zeh gingen, während sie den zweiten Zeh (mit der verlängerten Sichelkralle) nach oben abspreizten, sodass dieser keinen Bodenkontakt hatte. Die Menge an verschieden großen, gleichalten Fußspuren nebeneinander beweist zudem, dass Tiere unterschiedlichen Alters in Familien- oder Rudelverbänden zusammenlebten und -jagten.

In Nordkenia sind 1,5 Millionen Jahre alte Fußspuren der Menschenart Homo erectus gefunden worden, die belegen, dass die Art bereits aufrecht gehen konnte (daher der Name), über eine dem modernen Menschen ähnliche Fußform verfügte und in Gruppen von ca. 20 Personen reiste.

Ruhespuren (Cubichnia)

Ruhespuren sind Abdrücke der gesamten Ventral- oder Lateralseite (Bauch, linke oder rechte Körperseite) eines Tiers, die entstehen, wenn sich das Tier zum Ausruhen oder Schlafen hinlegt. Sie liefern uns Aufschluss über die Ruheposition der Tiere, sowie über ihre Selbstschutzmethoden außerhalb der aktiven Selbstverteidigung oder Flucht. Viele Tiere, vor allem kleine Beutetiere, graben sich zum Ausruhen in weiche Böden ein, um ihren Wärmeverlust zu reduzieren und sich vor Fressfeinden oder anderen Aggressoren zu verbergen. Aus demselben Grund nutzen Menschen Bettdecken.

Oftmals hinterlässt diese Eingraben sehr detaillierte Umrisse des Tiers im Gestein. Die Detaildichte ist abhängig von der Feinkörnigkeit des Bodens und davon, wie gründlich der Organismus beim Verlassen seines Verstecks seine Spuren verwischt.

Weidespuren (Pascichnia)

Vor allem marine Organismen, die sich von Algen- und Bakterienmatten ernähren, hinterlassen Weidespuren im Untergrund. Da ihre Nahrung sich zwischen den feinen Körnern des marinen Sediments versteckt, fressen die meisten Organismen, die sich von ihnen ernähren, das Sediment einfach mit und hinterlassen dadurch eine etwa maulbreite Abtragungsspur im Untergrund. Man unterscheidet Weidespuren von Fressspuren dadurch, dass diese schichtparallel liegen und sich meist mäandrierend über eine ehemalige Oberfläche bewegen.

Die meisten Sedimentfresser scheiden die unverdaulichen Mineralanteile ihrer Nahrung später als Kot wieder aus.

Fressspuren (Fodinichnia)

Fressspuren werden ebenfalls von Sedimentfressern erzeugt, allerdings von solchen, die sich senkrecht in den Untergrund hineinfressen. Diese senkrechten Röhren im Untergrund sind breit genug, dass der gesamte Organismus hineinpasst. In vielen Fällen sind diese Fressspuren identisch mit den Wohnkammern der Organismen.

Raubspuren (Praedichnia)

Als Raubspuren bezeichnet man z.B. die Löcher, die Bohrmuscheln in ihren meist hartschaligen Beutetieren hinterlassen oder die ausgefransten Ränder von Pflanzenblättern, wenn diese von Insekten oder anderen Pflanzenfressern angefressen wurden.

Jeder Zahnabdruck eines Raubtiers auf dem Innenskelett eines Beuteorganismus', jede Kratzspur und jedes Krallenfragment im Knochengewebe eines Opfers, jeder angekaute Zweig und jede andere, mit der Intention der Heterotrophie an einem anderen Organismus verursachte Veränderung gilt als Raubspur.

Fluchtspuren (Fugichnia)

Um Raubspuren am eigenen Körper zu verhindern, bilden manche kleine Organismen Fluchtspuren. Fluchtspuren ähneln den Fressspuren darin, dass sie vertikal in den Untergrund führen. Der verantwortliche Organismus gräbt sie jedoch deutlich schneller als die Fressspuren, was an der Verzerrung der umliegenden Schichten erkennbar ist.

Merke:
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Nicht alle bei der Flucht eines Organismus entstanden Spuren sind per Definition Fluchtspuren. Ein Organismus, der nicht in, sondern über die Sedimentoberfläche flüchtet hinterlässt keine Fluchtspuren, sondern Trittsiegel. An deren Abstand kann zwar eine Fluchtsituation erkannt werden, das macht sie aber noch nicht zu einer Fluchtspur.


Wohnspuren (Domichnia)

Kleine, wehrlose Beutetiere ziehen sich häufig in Höhlen oder Mulden zurück, um ihren Fressfeinden zu entgehen. Diese Höhlen müssen nicht abiogen entstanden sein, einige Organismen graben sich ihre Wohnhöhlen selbst. Die unter der Sedimentoberfläche lebenden Tiere werden als endobenthische (=griech: "in der Tiefe") Organismen bezeichnet. Im Meer wird der Endobenthos vor allem von Würmern, irregulären Seeigeln und Brachiopoden bewohnt. An Land graben sich Insekten, Nagetiere und einige Reptilienarten Wohnhöhlen in die oberen Bodenschichten. Einige Insekten und Vögel graben sich Wohnhöhlen in das Holz von Bäumen.

Technisch gesehen sind von Menschen angelegte Keller und Schutzbunker ebenfalls Wohnspuren im Untergrund. Häuser fallen in eine andere Kategorie.

Ausgleichsspuren (Equilibrichnia)

Wenn Sedimentmaterial vom Bau einer Wohn- oder Fressspur abgetragen wird, muss es irgendwo auch wieder abgelagert werden. Wattwürmer fressen den Sand und scheiden ihn durch den Kot außerhalb ihres Baus wieder aus, Maulwürfe schaufeln das Material mit ihren verbreiterten Vorderläufen nach draußen und hinterlassen dort Maulwurfshügel, etc.

Wie auch die bewusst ausgehobene Struktur kann die Ausgleichsstruktur fossil erhalten bleiben.

Menschliche Spuren, die dieser Definition entsprächen, wären Abraumhalden von Bergwerken und Mülldeponien.

Über dem Substrat angelegte Strukturen (Aedificichnia)

Viele Tiere konzipieren überirdische Behausungen. Gorillas bauen sich Schlafnester aus Holz und Laub in Bäumen. Bestimmte Schwalbenarten zementieren aus Sand und ihrem eigenen Speichel kleine Halbschalen an Felsen und Häuserfassaden, in denen sie brüten und schlafen. Die meisten Vogelnester dienen als Brutstrukturen, in einigen Fällen sind die komplexen Gebilde aus Pflanzenfasern, Daunen und Ästen aber auch ein Statussymbol und Imponierwerkzeug bei der Brautschau. Der Heilige Pillendreher (auf lateinisch majestätisch Scarabaeus sacer und auf deutsch profan Mistkäfer genannt) konstruiert nach der Paarung einen überkörpergroßen Ball aus dem Dung großer Pflanzenfresser, in den das Weibchen seine Eier ablegt. Bienen konzipieren Stöcke und Wohnkammern aus Wachs, Termiten verkleben Sand und Ton zu meterhohen Konstrukten und 'Homo sapiens' konstruiert Wohnhäuser aus Beton, Stahl, Glas und Zement, sowie sämtlichen harten Gesteinen.

Von all diesen temporär stabilen Behausungen haben vor allem die festeren Insektenbauten eine Chance, den Fossilisationsprozess zu überstehen. Wespennester, Termitenhügel und Ameisenbauten sind fossil seit dem Mesozoikum überliefert, Die Brutröhren der ersten Köcherfliegenlarven sind uns sogar schon seit dem Perm erhalten.

Fallen und Kultivierungsspuren (Agrichnia)

Kultivierungsspuren sind Strukturen, die der passiven Nahrungsbeschaffung für eine Art dienen. Ein Spinnennetz, in dem sich fliegende Insekten verfangen können, was der Spinne die aktive Jagd erspart, ist eine Kultivierungsspur.

Kultivierungsspuren sind selten. Fossil erhalten sind uns bis heute nur die vermutlich mit Netzen ausgelegten Trichterhöhlen der Paläothelae, einer karbonzeitlichen Trichterspinne und die hexagonalen Gänge, in denen der incertae sedis Palaeodictyon vermutlich schwefeloxidierende Bakterien züchtete.

Menschen werden vermutlich eine Vielzahl an Kultivierungsspuren hinterlassen. Jede Ackerfläche, jede Viehweide, jede Salzgewinnungsanlage wird, so sie nicht erodiert werden, als Kultivierungsspur in den Fossilbericht eingehen.

Brutstrukturen (Calichnia)

Obwohl sich diese Strukturen häufig mit Wohnkammern, Fraßgängen und überirdischen Strukturen überschneidet wurde zusätzlich zu diesen noch der Begriff "Brutstrukturen" eingefügt, vermutlich um (Boden-)Nestern einen eigenen Namen zu geben.

Meeresschildkröten graben Mulden für die Eiablage, die sie danach wieder mit Sand bedecken. Dinosaurier aus den Familien Oviraptora, Hadrosauria und Sauropoda sind für runde Bodennester bekannt, in denen die Eier abgelegt und vermutlich bebrütet wurden. Große Raubsaurier wie Allosaurus verscharrten ihre Eier vermutlich in Nisthügeln, um sie vor Nesträubern zu schützen. Moderne Vögel bauen ihre Nester aus Holz und anderen Pflanzenbestandteilen hoch in Bäumen, auf Felsen oder auf dem Boden. Manche Wasservögel konstruieren sogar schwimmende Nester.

Verankerungsstrukturen (Fixichnia)

Sämtliche bisher genannten Spuren und Strukturen wurden von vagilen (=frei bewegungsfähigen) Organismen verursacht. Aber auch sessile (=festsitzende) Organismen wie Korallen, Bryozoen, Seelilien, Pflanzen und Pilze können mit ihren Wurzeln und verankernden Gliedmaßen Grabspuren im Sediment hinterlassen. Wird der Organismus z.B. durch starke Strömungen oder Sturmereignisse unfreiwillig umgesiedelt, kann die hinterlassene Verankerungsstruktur ohne das Körperfossil darin versteinern.

Biostratigraphie

Als Spuren des prähistorischen Lebens sind Spurenfossilien natürlich auch für die Biostratigraphie, die Einteilung der Urgeschichte nach dem Auftreten und Verschwinden prähistorischer Lebewesen, wichtig.

So ist zum Beispiel der Beginn des Phanerozoikums (und damit auch des Paläozoikums und Kambriums) vom ersten Auftreten des Spurenfossils Trichtophycus pedum markiert.

Autor:innen

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Dieser Artikel wurde geschrieben und gegengelesen von:
Leonard von Ehr
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