Phanerozoikum
Das Phanerozoikum ist ein Äonothem, das vor 541 Millionen Jahren begann und bis heute andauert.
Sein Name leitet sich vom griechischen Wort "phanerós" ab, was „sichtbar“ oder „erkennbar“ bedeutet, sowie dem Wort "zoon", was „Tier“ oder „Lebewesen" bedeutet. Das Phanerozoikum ist entsprechend das "Äonothem der sichtbaren Lebewesen".
Es teilt sich in die Ären Paläozoikum (= Erdaltertum), Mesozoikum (=Erdmittelalter) und Känozoikum (=Erdneuzeit), welche sich wiederum in die zwölf Perioden der belebten Urgeschichte unterteilen lassen.
Mit einer Dauer von 541 Millionen Jahren (Stand 2021) ist das Phanerozoikum das kürzeste der vier Äonotheme. Dennoch ist es das besterforschte Äonothem, da aus den früheren Äonothemen (Hadaikum, Archaikum, Proterozoikum) deutlich weniger Gesteinsmaterial an der Erdoberfläche zugänglich ist.
Geologie
Im Laufe des Phanerozoikums kam es durch die Prozesse der Plattentektonik immer wieder zur Umlagerung, dem Aufeinanderprallen und dem Auseinanderbrechen von Kontinenten. Gräben taten sich mitten in Kontinenten auf, wurden von Ozeanen geflutet und spreizten sich, von Erdmantelströmungen angetrieben, auseinander. Dazwischen bildete sich neues Krustenmaterial. An anderen Orten schoben sich die tektonischen Platten untereinander und schmolzen im Erdmantel auf. Dadurch hat sich das Aussehen der Erde im Lauf der Zeit stark verändert.
Zu Beginn des Äonothems gab es auf der Südhalbkugel den Großkontinent Gondwana. Der Kontinent lag anfangs noch nahe am Äquator und streckte sich entlang des 180. Längengrades südwärts. Auf der anderen Seite des Planeten, auf dem Nullmeridian lag der Kontinent Siberia, der das Fundament Nordasiens werden sollte, westlich von Siberia lag Laurentia und südwestlich davon Baltica. Kleinere Terrane, die heute unter Asien liegen, existierten östlich und nordöstlich von Siberia, Landmassen wie Yangtse, Sinokorea und Kazakhstania.
Zwischen Laurentia und Gondwana öffnete sich der Pazifische Ozean, das drückte Gondwana südwärts, auf Baltika zu. Der zwischen Baltika und Gondwana liegende Tornquist-Ozean wurde dadurch zunehmend subduziert. Wie an der heutigen Pazifikküste entstand um den Tornquist ein „Ring of Fire“, eine Vulkankette an den Küsten von Gondwana und Baltika. Diese Gebirgsbildung wird als die Cadomische Orogenese (Orogenese = Gebirgsbildung von griech. óros = „Berg“ und génesis = „Entstehung“) bezeichnet.
Im Silur, vor circa 430 Millionen Jahren, schob sich Gondwana über den Südpol und Baltika über den Äquator. Die Ausdehnung des Pazifiks war jetzt so stark, dass sie die Kontinente auf der anderen Seite immer näher zusammenpresste. Zu aller erst verschwand der Iapetus-Ozean, der Baltica und Laurentia voneinander trennte. Die Kollision beider Kontinente faltete ein Gebirge auf, das als Kaledonisches Orogen bezeichnet wird. Ab dem frühen Devon vor 419 Millionen Jahren waren beide Kontinente untrennbar miteinander verbunden und trugen nun den Namen Laurussia.
Während des Devons begann die sogenannte Variszische Orogenese, eine Gebirgsauffaltung, die durch die Subduktion des Rheischen Ozeans zwischen Laurussia und Gondwana, und später dem Kontakt beider Kontinente im oberen Karbon, stattfand. Mit Beginn des Perms existierte ein gewaltiger Kontinent mit dem variszischen Gebirge in seiner Mitte: Dieser Superkontinent wurde Pangäa genannt, was sich aus dem griechischen “pan” (= ganz, alles) und “gaia” (=Erde, Festland) zusammensetzt.
In der frühen Trias schloss sich von Norden her auch Sibiria, das sich inzwischen mit den ostasiatischen Terranen verbunden hatte, dem Superkontinent an. Alle größeren Landmassen bildeten jetzt einen einzelnen Kontinent, weshalb der alles umgebende Ozean damals auch kurzzeitig einen anderen Namen trug: Panthalassa, vom griechischen “pan” und “thalassos”(=Meer, Ozean). Pangäa vereinte also die gesamte Landmasse der Erde und Panthalassa vereinte alle Ozeane.
Doch Panthalassas maximale Ausdehnung war nur von kurzer Dauer, denn zu Anfang bis Mitte der Trias erkaltete die mittelpazifische Spreizungszone, die den Ozean hatte wachsen lassen, während auf der anderen Seite des Planeten, im Inneren Pangäas, einige Grabenbrüche aktiv wurden. Die Nordhälfte Pangäas trennte sich langsam von der Südhälfte. Während der Jurazeit wurde aus diesem Grabenbruch ein vollständiges Meer, die Paläotethys. Der Kontinent nördlich der Paläotethys hieß Laurasia, er beinhaltete das heutige Nordamerika, Europa und Asien. Der Südkontinent erhielt seinen alten Namen, Gondwana, zurück, er beinhaltete Südamerika, Afrika, Indien, Australien und die Antarktis.
Während der Kreidezeit drifteten diese beiden Kontinente weiter auseinander, und brachen auch untereinander in neue Formen auf: Ein Grabenbruch, der sich in Nordsüdrichtung sowohl durch Laurasia, als auch Gondwana zog, begann, den Atlantischen Ozean zu öffnen. Innerhalb von Gondwana führte ein Ostwest-Bruch zur Abspaltung der Antarktis und der Öffnung des Südpolarmeeres. Ein ypsilonförmiger Grabenbruch trennte Afrika, Indien und Australien und schickte die Kontinente in ihre jeweilige Richtung davon: Australien nach Südosten, Afrika nach Westen und Indien mit rasanter Geschwindigkeit in Richtung der Eurasischen Platte.
Mit der Ausbreitung des Südpolarmeers und des Mittelatlantischen Grabenbruchs, der im Norden Europas über Island um den Nordpol herum verlief, bewegten sich die Kontinente der Welt ab der späten Kreidezeit wieder auf den Äquator zu. Dabei subduzierten sie die Paläotethys und das Tethysmeer daneben. Im Neogen kam es zu vereinzelten Kontakten. Nordamerika verband sich mit Südamerika, über eine Landbrücke, die aus den Vulkanen des pazifischen „Ring of Fire“s entstand. Ausgelöst durch die Ausweitung des Atlantiks und dem entsprechenden Druck, der Amerika über den Pazifik schob, bildeten sich an der Westküste beider Amerikas hohe Vulkangebirge, die Anden und die Rocky Mountains. Die Ausweitung von Atlantik und Südpolarmeer pressten außerdem Europa und Afrika zusammen, was das Alpenmassiv und das Zagrosgebirge auffaltete, und aus der Kollision Indiens mit Südasien erwuchs der Himalaya. Diese jüngsten Gebirgsbildungen werden unter dem Namen Alpidische Orogenese zusammengefasst.
Klima
Während des Phanerozoikums kam es zu insgesamt vier großen Warm- und vier großen Kaltzeiten. Diese Klimaveränderungen wurden primär durch den atmosphärischen CO2 –Gehalt, die Konstellation der Kontinente, die vulkanische Aktivität und die Ausrichtung der Meeresströmungen ausgelöst. Befanden sich am Südpol große Landmassen, auf denen sich große Festlandgletscher bilden konnten, wurde es global meist kälter. Stieg hingegen der Treibhausgasanteil der Atmosphäre durch Vulkanausbrüche an, wurde es wärmer. Isolierte ein Meeresstrom bestimmte Klimazonen voneinander, wurden beide entsprechend extremer, aber auch spontane Ereignisse wie Meteoriteneinschläge oder die Eruption eines Super-Plums konnten durch den Feinstaub, den sie in die Atmosphäre befördern, zu einer kurzzeitigen Abkühlung führen.
Die klimatischen Wärme-Peaks der Erdgeschichte waren im Ordovizium, im Devon, dem späten Perm und der frühen Trias, sowie am Übergang von der Kreidezeit ins Paläogen.
Am Kältesten war es im Silur, während der permokarbonischen Vereisung, während dem Jura und im Neogen.
Massenaussterben
Gelegentlich traten in der Erdgeschichte verheerende Katastrophen auf. Im Phanerozoikum, dem Äonothem des sichtbaren Lebens, gab es erstmals Opfer dieser Katastrophen. Führte ein gewaltiger Meteoriteneinschlag zuvor meist nur dazu, dass die Erdoberfläche umgestaltet wurde oder sich die Erdachse etwas neigte, so bedeutete er jetzt, dass unter Umständen eine gesamte Nahrungskette zusammenbrach und Millionen Tier- und Pflanzenarten für immer ausstarben.
Massenaussterben ereigneten sich in der Erdgeschichte immer wieder, deswegen werden hier nur die verheerendsten Fünf kurz vorgestellt:
Am Ende des Ordoviziums führte eine kurze, intensive Vereisungsperiode zu einem Aussterben von über 85% der marinen Lebewesen. Da das Land zu diesem Zeitpunkt noch unbewohnt war, gab es hier keine Verluste.
Am Ende des Devons kam es in schneller Folge zu zwei verheerenden Aussterbeereignissen, dem Kellwasser- und Hangenberg-Ereignis. Auslöser für beide war die Ausbreitung anoxischer Zonen im Ozean, vermutlich bedingt durch starken Vulkanismus, was jeweils etwa 50% der marinen Arten auslöschte. Die frühen Landbewohner, die damals bereits existierten, waren kaum betroffen.
Am Ende des Perms bahnte sich ein großer Strom flüssigen Gesteins aus dem Erdmantel, ein sogenannter Superplum, seinen Weg durch die Sibirische Platte. Durch die dadurch verursachten, großflächigen Vulkanismus wurden gewaltige Mengen an Feinstaub ausgestoßen, die zu einem nuklearen Winter führten. Durch den CO2- und H2S-Ausstoß der Vulkane und dem Eintrag dieser Gase in die Weltmeere wurden große Teile der Ozeane anoxisch. 95% der marinen und terrestrischen Arten starben aus.
Am Ende der Trias kam es durch das Auseinanderbrechen Pangäas zu einer klimatischen Abkühlung, der mindestens 40% der Arten zum Opfer fielen.
Am Ende der Kreidezeit schlug ein Meteorit mit 10 Kilometern Durchmesser in der Yucatán-Halbinsel ein und verursachte einen globalen Impaktwinter. Gleichzeitig bohrte sich ein Superplum durch den Indischen Kontinent und schuf das Dekkan-Trapp, weshalb bei diesem Aussterbeereignis die Schuldfrage noch ungeklärt ist. Es starben 75% der Landtiere und circa 95% der Meerestiere aus.
Experten vermuten, dass wir uns derzeit in der Frühphase eines sechsten Aussterbeereignisses befinden, das an seinem Höhepunkt mit den Extinktionsraten der schwersten drei Massenaussterben konkurrieren könnte. Auslöser hierfür sind das Terraforming und die Klimaveränderungen durch den Menschen, die Vernichtung von Lebensräumen, den Pestizidgebrauch und der Anbau von Monokulturpflanzen. Das volle Ausmaß dieses Ereignisses ist allerdings noch ungewiss.
Flora und Fauna
Das Phanerozoikum zeichnet sich per Definition durch die Existenz sichtbaren Lebens aus. Konkret beginnt es jedoch mit der Entstehung komplexerer Nahrungsketten, endobenthischer (d. h. sich durch den Untergrund grabender) Organismen und dem Auftauchen erster größerer Raubtiere. Sichtbare Lebewesen hatte es schon am Ende der vorigen Ära, dem Ediacarium, gegeben, doch diese Lebewesen gehörten noch zu einem Schwesterzweig unserer Abstammungslinie, zu den sogenannten Vendobionta.
Das Kambrium, die erste Periode des Phanerozoikums, begann mit dem Aussterben der Vendobionta und dem Aufblühen des Stammes der vielzelligen Tiere, griechisch Metazoa genannt. Die Metazoen entwickelten sich rasch, breiteten sich aus, eroberten Lebensräume und spezialisierten sich auf bestimmte Nahrungsformen, Strömungsverhältnisse und Bedrohungen. Denn erstmals entwickelten sich auch Raubtiere, die sich von kleineren Metazoen ernährten. Diese Kambrische Fauna war dominiert von Wirbellosen, mit einem festen Außenskelett und komplexen Facettenaugen. Gleichzeitig entwickelten sich aber auch erste Wirbeltiere. Diese sahen zwar anfangs noch aus wie kleine Würmer oder tentakellose Quallen mit einem dünnen Nervenbündel in der Mitte, doch aus ihnen sollten schon bald die ersten Fische hervorgehen.
Mit dem Ordovizium entwickelten sich erste große Kopffüßer, Raubtiere mit Fangarmen, die die Häutungstiere von der Spitze der Nahrungskette vertrieben. Wirbeltiere lebten weiter in ihrem Schatten, bildeten jedoch bereits primitive Wirbelsäulen und Schädel aus.
Im Silur entwickelten sich erste größere Raubfische. Außerdem brachten die Wirbellosen große Seeskorpione hervor, von denen einige bereits das Wasser verlassen konnten.
Ab dem Devon dominierten Fische den Ozean. In ihrer Größe weniger begrenzt als die Wirbellosen wuchsen die größten Raubfische bereits auf 6 m Länge. Eine Variante der Raubfische, die Placodermi, schützten ihren Kopf mit schweren Panzerplatten und verfügten über ausgeprägte, scharfe Schneidklingen in ihren Kiefern. Diese Raubtiere waren wohl mit ein Grund, warum kleinere Fische zuerst ins Süßwasser und in der Folge an Land auswichen.
Das Karbon war durch seinen außergewöhnlich hohen Sauerstoffgehalt ein Paradies für die frühen Landlebewesen. Während die Wirbeltiere das Festland eroberten, sich zu Amphibien und Reptilien differenzierten und auf bis zu drei Meter Länge anwuchsen, konterten die wirbellosen Arthropoden (Gliederfüßer) mit Arten in derselben Größenordnung. Außerdem entwickelten sich erste geflügelte Insekten, wodurch sie den Luftraum als Lebensraum und Jagdgebiet eroberten.
Mit Beginn des Perms schwand die übersättigte Sauerstoffatmosphäre und mit ihr die Riesenarthropoden. Wirbeltiere, konkret Reptilien dominierten jetzt sämtliche Ökosysteme und sie entwickelten sich in verschiedene Richtungen weiter. Einige bildeten die Vorfahren der heutigen Säugetiere.
Das Massenaussterben, das die Trias einleitete, führte unter Anderem zum Verschwinden der gemeinsamen Vorfahren von Reptilien und Säugern, die überlebenden Arten konkurrierten nun um die Spitze der Nahrungskette. Hierbei konnten sich die krokodilartigen Pseudosuchier und die frühen Dinosaurier erfolgreich behaupten. Letztere dominierten ab der Obertrias alle Ökosysteme Pangäas.
Während dem Jura differenzierten sich die Dinosaurier enorm. Sie erreichten Körperlängen bis zu 27 Metern Länge und eroberten beide Kontinente der damaligen Zeit. Komplexe Nahrungsketten, Symbiosen zwischen einzelnen Arten, und eine bunte Vielfalt an Spezies waren nun weltweit zu finden.
In der Kreidezeit erreichte die Entwicklung der Dinosaurier ihren Höhepunkt. Die größten Vertreter halten mit Körperlängen bis zu 40 Metern bis heute sämtliche Rekorde im Tierreich und auch die Raubtiere der späten Kreide waren Meister ihres Beutespektrums. Am Ende der Kreide starben sie jedoch fast vollständig aus.
Im Paläogen entwickelten sich aus den letzten Dinosauriern, den Vögeln, größere Raubtiere und aus den frühen Säugetieren größere Säugetiere. Nach einer kurzen Herrschaft der Raubvögel dominierten die Säuger nahezu alle Ökosysteme.
Im Neogen festigte sich die Rolle der Säugetiere weiter. Tiere in der Größenordnung bis über 8 Meter kehrten in die Liga der Dinosaurier zurück, wenn auch beschränkt durch das Handycap des höheren Nahrungsbedarfs. Gegen Ende des Neogens entstanden erste Menschenaffen, aus denen zu Beginn des Quartärs die Gattung Homo hervorging. Innerhalb der kurzen Zeit von nur 2 Millionen Jahre brachte diese Gattung hochintelligente Menschen hervor, die mit zunehmender technischer Erfahrung die Nahrungskette zu dominieren und die Elemente ihrer Umwelt zu meistern lernten. Inzwischen dominiert die Art Homo sapiens sämtliche Kontinente und stellt eine Bedrohung für alle Tier- und Pflanzenarten des Planeten dar, die ihr nicht explizit nützlich sind.
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Referenzen
F. W. Welter-Schultes & R. Krätzner: Die Erdzeitalter, Helmut Lingen Verlag GmbH, Köln 2020
Hans Murawski, Wilhelm Meyer: Geologisches Wörterbuch. Spektrum, Heidelberg 2004, ISBN 978-3-8274-1445-8.
Tim Haines, Paul Chambers: The complete guide to prehistoric life, Firefly Books, Richmond Hill, Ontario 2010, ISBN 978-1-55407-181-4
Stephen L. Brusatte: Dinosaur Paleobiology. Wiley-Blackwell, Oxford 2012, ISBN 978-0-470-65658-7
Stephen L. Brusatte: Aufstieg und Fall der Dinosaurier. Piper Verlag, München 2018, ISBN 978-3-492-05810-0
Weitere Informationen und Literatur
Lehrveranstaltungen
P3 Erdgeschichte WP23 Ökologie und Systematik
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